Methoden der Kontrolle

 

Beim Erlernen und Fixieren der neuen Identität spielt die (Klein-)Gemeinschaft der Gruppierung eine wesentliche Rolle. Diese Gemeinschaft wirkt auf Interessierte oft insofern sehr positiv, als sie von einem echten Miteinander gekennzeichnet zu sein scheint. Tatsächlich reduziert sich diese "Gemeinschaft" jedoch meist auf eine starke Sozialkontrolle.

Folgende Methoden können dabei zum Einsatz kommen:

- Verhaltenskontrolle: Die Lebensordnung wird oft streng normiert. Das bedeutet zum Teil strikte Speise- und Bekleidungsvorschriften ("Fiat Lux") oder entsprechende Anweisungen für Riten und Meditationen ("Hare-Krishna-Bewegung"). Der individuelle Lebensraum des Menschen kann dadurch immer stärker beschnitten werden. Während systemkonformes Denken und Verhalten belohnt wird, kann "abweichlerisches" Verhalten bestraft werden ("Scientology"). Wer aktiv an seiner Bestrafung teilnimmt, glaubt meist irgendwann selbst, diese Strafen verdient zu haben.

- Gedankenkontrolle: Neue Mitglieder übernehmen oft kritiklos und unreflektiert das Lehr- und Sprachsystem. Gehorsam gegenüber Anordnungen von oben ist eine offensichtlich wichtige Lektion, die es zu lernen gilt: "Du bist niemand, der Meister ist alles" ("Osho-Bewegung): "Totale Freiheit erfordert totale Disziplin" ("Scientology").

Die inneren Gedanken können die Führer zwar nicht vorschreiben, es liegt jedoch nahe, daß Herz und Verstand im Normalfall dem Verhalten folgen werden.

- Gefühlskontrolle: Mit der Erzeugung von Schuld- und Angstgefühlen wird versucht, das einzelne Mitglied an die Gruppe zu binden ("Vereinigungsbewegung"). Dafür sind gerade sensible, idealistische Menschen sehr empfänglich. Da Kritik oft als mangelnde Glaubensüberzeugung interpretiert wird, muß der "Schuldige" Wiedergutmachung leisten (z.B. durch noch mehr Arbeit, Meditation, Studium). In einigen Gruppen wird dies noch durch Rechenschaftsberichte verstärkt, in denen der einzelne über sein alltägliches Fehlverhalten detailliert zu berichten hat ("Holosophische Gesellschaft"). Dadurch wächst der unausgesprochene Druck, "Höchstleistungen" im Sinn der Organisation zu erbringen. Permanente Erschöpfung oder Schuldgefühle können die Folge sein.

- Informations- und Milieukontrolle: Wo Informationsmöglichkeiten reglementiert werden, wird die Möglichkeit zu kritischem und eigenständigem Handeln zum Teil radikal eingeschränkt. Je stärker der Zugang zu Massenmedien ("Fiat Lux") oder zu Bildung ("Kinder Gottes", heute "Die Familie") reduziert wird, desto massiver wird die Bindung an Lehre und Praxis der jeweiligen Organisation. eine form der Informationskontrolle ist die Praxis, die gesamte Lehre und Pèraxis den Interessierten nur schrittweise zu vermitteln ("Scientology").

 

Präsentation des Gründers/Führers

Bei manchen sektiererhaften Gruppen kommt der Orientierung auf eine Führungs-Person eine wichtige Rolle zu. Das Bild des Gründers oder Führers wird mit unterschiedlichen Methoden idealisiert, um eine starke emotionale Bindung der Mitglieder zu erreichen. Dabei können folgende Strategien zum Einsatz kommen:

- Glorifizierung der Biographie: Die Lebensgeschichte des Gründers bzw. Führers wird durch beeindruckende Fakten "ergänzt", während andere, weniger veeindruckende Fakten unerwähnt bleiben ("Vereinigungsbewegung"). Details der Biographie werden so ausgewählt, daß die Person in einem "geschönten" Licht erscheint. Zudem gibt es Führer, die sich mit anerkannten Personen des öffentlichen Lebens fotografieren lassen ("Sri Chinmoy"). Damit soll der Eindruck erweckt werden, die betreffende Person sei ein Befürworter der jeweiligen Gruppierung.

- Stilisierung als Erlöser: Die Lebensgeschichte des Gründers oder Führers wird zum Teil parallel zu einer großen Persönlichkeit oder zu einem Religionsgründer dargestellt, dessen Wirken nun vom betreffenden Führer vollendet oder überhöht wurde ("Vereinigungsbewegung"). Schriften von Gründern zitieren mitunter auch Texte der Philosophie- und Religionsgeschichte. Wenn man als Mitglied nicht über das entsprechende Wissen verfügt, erscheinen einem die "Leistungen" des Führers in einem phantastischen Licht.

- Indentifikationsmöglichkeit: Zum Teil wird Mitgliedern einzelner Weltanschauungsgruppen die ständige Anwesenheit eines Sektenführers suggeriert. Dies erfolgt durch rituelle Handlungen, Andachtsbilder mit dem Portrait des Meisters, tägliche oder wöchentliche Treueschwüre oder Verpflichtungseide ("Sri Chinmoy", "Vereinigungsbewegung"). So kann eine emotional starke Bindung zwischen dem Leiter und dem einzelnen Mitglied der Gruppe erzeugt und ausgebaut werden.


aus: "Sekten - Wissen schützt", Broschüre des österreichischen Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie, s. 19-21