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  Adullam Freunde von Werner Arn, Christlicher Informationsdienst (CID)
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  Der Lehrer der letzten Tage
Werner Arn im Bann der Apokalypse
"Der Mann auf der Strasse merkt, dass heute etwas.." meint Werner Arn fragend in die Runde von ca. dreidutzend BesucherInnen seines Evangelisationsfeldzuges in Zürich. Zumeist sind es AnhängerInnen von Arns offiziell namenloser, allgemein aber Adullam genannter Gemeinschaft mit Sitz in Wattwil im Toggenburg, und Arn z.T. schon jahrelang verbunden. Sie wissen deshalb, was gemeint ist. Arn wartet darauf, dass jemand aus dem Publikum den angefangenen Satz ergänzt. Es ergibt sich bei diesen Gelegenheiten ein edler Wettstreit unter den älteren Damen, die einen schönen Teil von Arns Klientel ausmachen, wer denn als erste die richtige Ergänzung wüsste. "In der Luft liegt", meint eine, und Arn wiederholt bestätigend, mit einem lobenden Lächeln in Richtung der Interpellantin, während er fortfährt: "Es kann so nicht mehr...". "Weitergehen" lautet diesmal die richtige Antwort.

Im Laufe des Abends, der unter dem sinnigen, aber entliehenen Titel "Im Bann der Apokalypse" steht, erhalten Arns AnhängerInnen noch öfters Gelegenheit, ihren Lernerfolg durch mündliche Mitarbeit im angesprochenen Sinn zu belegen. Arn, der Biblizist, der Bibeltreue, der nach Aussagen seiner Anhänger der Gemeinschaft vorsteht, die als einzige die Bibel wirklich versteht, fragt auch Bibelstellen ab.

Vom Primarlehrer zum Lehrer der Wahrheit
Was Werner Arn einst gelernt hat, bleibt für den Besucher seiner Veranstaltungen nicht fraglich. In Winterthur aufgewachsen, besuchte Arn das Lehrerseminar. Dort erwarb er, es muss in den Sechziger Jahren gewesen sein, die methodischen Kenntnisse, die er heute seiner Zuhörerschaft angedeihen lässt. Zwar wirkte Arn, nach eigenen Aussagen, nicht lange als Lehrer. Alsbald liess ihn ein Bekehrungserlebnis nach einer Wirksamkeit suchen, in welcher sein neugefundener Glaube besser zur Geltung käme. Geprägt hat ihn das Berufsbild des Lehrers aber für sein Leben. Seine Bekehrung trieb Arn aus der reformierten Kirche hinaus, da die zuständigen reformierten Pfarrer sich nicht durch Arns neugewonnene religiöse Erkenntnisse belehren lassen wollten. Einer Freikirche schloss sich Arn nie an. Er wurde ein "circulating saint", ein fundamentalistischer Protestant, der sich nirgendwo verbindlich einer Gemeinde anschliesst. Während rund eines Jahrzehnts leitete Arn eine evangelikal geprägte Pension. In dieser Zeit baut Arn eine Arbeit auf, der seinen Begabungen und seiner Arbeitsweise perfekt entspricht: Ein Vortragsdienst, der übers Land zieht und die Bevölkerung über diverse Themen aufklärt und belehrt: so vorerst über das Thema der Sekten, später auch über die Drogen-Thematik und weitere Themen. Das Schema, dem sich Arn verpflichtete, war stets das Gleiche: Werner Arn warnt vor Irrwegen, und weist statt dessen den rechten Weg zur Seligkeit. Als Veranstalterin dieser Lehr- und Warn-Vorträge tritt eine Organisation auf, die Arn eigens zu diesem Zweck begründet hat: der "Christliche Informationsdienst", abgekürzt CID, gesprochen "zid". Im Rahmen des CID hat Arn wieder zur Tätigkeit des Lehrers zurückgefunden. Nun lehrt Arn allerdings nicht mehr das Einmaleins, sondern die Wahrheit.
Der Besserwisser
Zunehmend bezieht Arn in seine Behandlung der Sekten andere Kirchen ein: Die katholische Kirche ist eine Sekte, weil sie aus Sicht Arns allerlei heidnische Praktiken und Lehren übernommen hat. Die reformierte Kirche ist kaum besser, weil sie sich modernistischen Ideen wie der Gleichberechtigung der Frau geöffnet hat. Zudem, Arn erinnert sich hier an die Zurückweisung seiner Lehren durch Pfarrer im Raum Winterthur, verhält sich die reformierte Kirche wie die Pharisäer zur Zeit Jesu: Der Rabbi der Wahrheit wurde damals zurückgewiesen, der Lehrer der Wahrheit wird heute zurückgewiesen. Charismatische und pfingstlerische Freikirchen sind ebenfalls nicht in Ordnung, da die pfingstlerische und charismatische Theologie falsch ist, ja eine Verführung der Endzeit und damit äusserst gefährlich. Nun ist es nach Arn leider so, dass sich auch nichtcharismatische Freikirchen dieser Verführung zunehmend öffnen und damit vom Bösen infiziert werden. Im Grunde haben deshalb (fast) alle christlichen Kirchen als Sekten zu gelten. Was bleibt zu tun? Arn besinnt sich darauf, was das Wort für Kirche in Neuen Testament, "ekklesia", wörtlich heisst: die Herausgerufene. Arn bezieht das Herausgerufensein nun nicht, wie das Neue Testament, auf die Umwelt, sondern auf die Kirchen. Wahre Christen sind diejenigen, die sich aus ihren Kirchen als herausgerufen erleben und austreten. In den Kirchen zu bleiben, das kann nicht angehen. Aber Christsein verlangt, Arn kennt das Neue Testament ja, Gruppenbildung. Mit dem Austritt, der von manchen Arn-AnhängerInnen dem Vernehmen nach wie ein Initiationsritus in Arns Umfeld hinein zelebriert wird, ist noch nichts gewonnen. Wie soll man sich sammeln? Arn besinnt sich auf die neutestamentliche Rede von den zwei oder drei, die sich sammeln, wobei Jesus verheisst, mitten unter ihnen zu sein...
Arns Schulstube: Adullam
Der Rede der zwei oder drei eingedenk baut Arn ein Hauskreissystem auf, in welchem er seine AnhängerInnen sammelt. Diese Hauskreise sind nominell unabhängig. Arns Verhältnis zu ihnen beschreibt er selbst mit dem Verb "dienen". Wenn Arn in einem seiner Hauskreise auftritt, heisst das, dass er dort "mit Lehre dient". Dieser Dienst sorgt dafür, dass die Lehre von Arns Hauskreisen streng auf Linie bleibt. Zu gottesdienstlichen Zwecken treffen sich die AnhängerInnen Arns in Wattwil im Toggenburg. Arn hat dort ein Pflegeheim eingerichtet und mit dem Namen "Adullam" versehen. In den Räumen dieses Pflegeheims finden Gottesdienste statt, welche die Mitglieder von Arns Hauskreissystem von nah und fern aufsuchen.

Arns Hauskreissystem trägt keinen Namen. Juristisch gesehen existiert es gar nicht. Es ist kein Verein, keine Stiftung, nichts. Arn will keine Organisation sein, da dies nicht biblisch sei. Aus der Tatsache, dass seine Bewegung keine Organisation ist, gewinnt Werner Arn, wie leicht einzusehen ist, manche Vorzüge. Er braucht sich nicht mit einer Generalversammlung, einem Vereinsvorstand oder einem Stiftungsrat herumzuschlagen. Die Spenden, die ihm dem Vernehmen nach reichlich zukommen, gehen wohl in die Verwaltung Arns selbst über, da eine Nicht-Organisation ja nicht besitzfähig ist. Die Frage einer Jahresrechnung, also der Offenlegung der Verwendung der Finanzen, entfällt. Arn ist so gewissermassen der Alleinherrscher in seinem Reich, keinem Menschen Rechenschaft schuldig. Ein Lehrer ohne Schulpflege und ohne Elternabend.

Der Lehrer und seine Schüler
Lehrer Arn wird von Seiten von ehemaligen Mitstreiterinnen ein grosses Charisma bescheinigt. Möglicherweise wirkt dieses vornehmlich auf Frauen, zum Schreibenden ist der Funke nicht gesprungen. Arn ist aber zweifellos ein Mensch mit positiver Ausstrahlung, er wirkt, von mittlerem Wuchs und mit gepflegtem Bart, sympathisch, gemütlich, gemessen, seriös, solide. Der Typ lieber Lehrer oder guter Götti eben. Ein Mann, zu dem man Vertrauen hat. Und dessen Meinung deshalb von Gewicht ist. Arn ist vom Typ her zum Lehrer prädestiniert. Und er zelebriert, wie wir eingangs gesehen haben, sein Lehrer-Sein. Arn hat nichts von einem Prediger, seine Rethorik entstammt der Schulstube traditionellen Zuschnitts, in welcher der Lehrer sagt, wies ist, und abfragt, ob die Schüler verstanden haben. Menschen, die von einem Lehrer-Bild herkömmlicher Art geprägt sind, sprechen darauf an. Sie wuchsen in einer Gesellschaft auf, die im Lehrer noch mehr sah als eine pädagogische Fachperson. Der Lehrer war der Wissende, im Sozialprestige dem Arzt und dem Pfarrer durchaus vergleichbar. Was der Lehrer sagte, war von Belang, auch wenn es sich nicht um Rechtschreibung und rechte Addition handelte. Und der Lehrer war für Leitungsaufgaben aller Art prädestiniert: Gemeinderat, Kirchenpflege, Vereine etc. Arn schlüpft als Leiter von Adullam in diese Rolle. Sein älteres Publikum billigt ihm diese ohne weiteres zu.

Eine Schulstube verträgt in einer Zeit, die von Co-Teaching und dergleichen Neuerungen noch nichts wusste, nur einen Lehrer. Der Lehrer war Einzelkämpfer, der Lehrerberuf deshalb ein Feld, das Menschen mit diesbezüglichem Bedürfnis betraten. Arn verkörpert diese Persönlichkeitsstruktur in ausgeprägtem Mass. Dass "er niemanden neben sich haben kann", wird von ehemaligen MitstreiterInnen immer wieder betont. Jedenfalls führt Arns Bewegung eine Nummer Zwei, die Arns Autorität auf keinen Fall gefährden wird. Der Appenzeller Andreas Dörig, kleinwüchsig und mit hoher Stimme versehen, macht, in einen Anzug gesteckt, auf den Schreibenden den Eindruck eines gealterten Konfirmanden. Er wirkt bei seinem Auftritt wie der Klassenprimus, der ein Vorträgli halten darf.

Eine Autorität gibt es allerdings, die die Macht des Lehrers traditionellerweise beschränkt und an welcher der Lehrer zu messen ist: das Schulbuch. Lehrer Arn hat dieses abgeschafft. Kommentare zur Bibel werden nicht verwendet, evangelistische Literatur hat Arn selbst zwar gelesen, seinen AnhängerInnen empfiehlt er sie nicht. Es bleibt die Bibel. Zu ihrer Auslegung ist man allein auf Arns Aussagen angewiesen. Es gibt nichts, woran man die Plausibilität von Arns Auslegung messen könnte.

Der unfehlbare Lehrer?
Für die Anhänger Arns ist nicht fraglich, dass Arns Bewegung die einzige ist, die als wirklich christlich gelten kann. Alle anderen Kirchen und Gemeinden sind nicht in Ordnung. Zur Begründung dieser Behauptung dienen nicht nur die oben vorgebrachten Argumente gegen andere Gemeinschaften, sondern vor allem ein paar interessante Zirkelschlüsse:

- Es gibt, das ist für Adullam-Vertreter sicher, nur eine richtige Auslegung der Bibel. Diese richtige Auslegung ist zu gewinnen, wenn man sich wirklich um die Bibel bemüht, weil einem dann der Beistand des Heiligen Geistes sicher ist. Da sich Werner Arn nun sichtlich um die Bibel bemüht, hat er den Beistand des Heiligen Geistes. Seine Auslegung ist also die richtige. Wer immer zu anderen Ansichten kommt als Werner Arn, und das tun alle anderen Kirchen und Gemeinden, hat deshalb offensichtlich den Heiligen Geist nicht. Das heisst, dass jeder, der in einer Auslegungsfrage zu einer anderen Ansicht als Werner Arn kommt, nicht in der Wahrheit steht.

- Zu wahrem Christentum gehört, dass man in der Einheit steht. Wer eine andere Meinung vertritt als die wahren Christen, und das sind ja Werner Arn und die Seinen, kann deshalb kein wahrer Christ sein.

- Da Werner Arn bei seiner Auslegung der Bibel den Beistand des Heiligen Geistes hat, ist seine Auslegung unfehlbar. Arn irrt, wie AnhängerInnen bestätigen, nie.

Der Gesetzeslehrer
Die Gemeinschaft um Werner Arn erinnert in vielem an die pharisäische Bewegung zur Zeit Jesu. Die Wahrheit ist nicht existentielles Getroffensein durch Gott und sein Reich, wie in der Verkündigung Jesu, sondern Lehre, die gelehrt, gelernt, gewusst und abgefragt werden kann. Verkündigungsform ist das Lehrgespräch. Wird Religion aber zur Lehre, wird sie immer auch zum Gesetz. Religion lehrt dann, das Rechte zu tun und das Falsche zu lassen. Dies tut Werner Arn reichlich, die Freiheit des Evangeliums versinkt im Paragraphendschungel der Gesetzlichkeit. In gesetzlichen Gemeinschaften wie derjenigen Arns gibt es nun üblicherweise keine Heilsgewissheit. Jeder kann jederzeit aus dem Stand des Heils herausfallen, wenn er sich nicht an die Vorschriften hält. Auch bei Adullam ist das so: Nur wer immer fleissig dabeibleibt, wird alle Klassen bestehen.
Im Bann der Apokalypse
Arn und seine Anhänger stehen, es wurde eingangs betont, gewissermassen im Bann der Apokalypse. Jederzeit kann es kommen, das Ende dieser Weltzeit, schreibt Arn seinen AnhängerInnen ins Stammbuch. Hugo Stamms Buch habe unrecht, wenn es sich über die Endzeiterwartung im evangelikalen Milieu mockiert. Denn das Weltende wird kommen. Arn beeilt sich zwar anzufügen, dass es bis zum Weltende durchaus noch fünf, zehn oder gar zwanzig Jahre gehen könnte, aber, so meint er, es sähe im Moment nicht danach aus, dass es noch so lange dauern würde. Die AnhängerInnen Arns leben folglich in einer akuten Erwartung des Weltendes. Es gibt nicht mehr viele Gelegenheiten, sich Schätze im Himmel zu verdienen. Jetzt ist die Stunde. Totaler Einsatz ist deshalb gefragt. Die enorme Missionsaktivität, die manche Adullam-VertreterInnen entfalten, wird so verständlich. Geradezu verantwortungslos wäre es, sich heute, so kurz vor dem Ende, nicht an die Vorschriften, die Arn aus dem Evangelium zu gewinnen glaubt, zu halten. Dies käme einem Sprung aus der Arche in die tosende Sintflut gleich. Der enorme psychische Druck auf die Mitglieder, der für Endzeitgemeinschaften so typisch ist, findet sich nach unserer Beobachtung bei Arns Anhängerschaft in reichem Masse.
Arn: Lehrer - Rabbi - Guru?
Lehrer Arn zog aus, nicht nur das Einmaleins zu unterrichten, sondern den Weg zur Seligkeit zu weisen. Seine Rolle ähnelt so derjenigen des pharisäischen Rabbis, dessen Aufgabe es ist, das rechte religiöse und sittliche Verhalten zu lehren. Die in diesem Sinne von Arn Belehrten sammelten sich in dessen Hauskreissystem, und besuchten Arns Gottesdienste in Wattwil. Arns Lehrerschaft wuchs damit über europäische und nahöstliche Funktionen hinaus. Arn wird in kritischer Sicht zum Lehrer im östlichen Sinn, zum Guru. Er ist der Vermittler der Wahrheit. Seine Bibelauslegung ist diejenige, die als einzige vom Heiligen Geist genehmigt ist. Was Arn auslegt, ist unfehlbar. Kritik an Arns Auslegung wird unmöglich. Sie wäre ein Herausfallen aus der Einheit in die Fluten des Untergangs. In dem Mass, wie Arn zum Guru wurde, entwickelte sich seine Bewegung zur Sekte. Alle gegenteiligen Beteuerungen von Arn und den Seinen ändern nichts daran: Lehrer Arn hat seine Schüler einen problematischen Weg geführt. Für die Zukunft von Arns Klasse ist deshalb wenig Gutes zu erwarten.
Georg Otto Schmid, 1999
Letzte Aenderung 1999, © gos 1999, Infostelle 2000
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