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  Buddhismus Einführung und Richtungen
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  Der Buddhismus
Einführung und Richtungen
Ausgangspunkt und Mitte des Buddhismus ist ein Geschehen, durch das Siddharta Gautama, aus dem Lokaladelsgeschlecht der Shakyas im 6. Jahrhundert vor Christus zum "Buddha", d.h. zum "Erleuchteten" oder "Erwachten" wurde. Bis heute ist genuiner, sich selber treu bleibender Buddhismus der Versuch, allen zu diesem Erwachen bereiten Menschen auf diesem Erleuchtungsweg beizustehen. Wo der Buddhismus - was auch immer wieder geschah und geschieht - dieses Erleuchtungserleben vergisst und sich anderen, unwesentlichen Lehren oder Erfahrungen zuwendet, da wird er zum hölzernen Eisen, zum Widerspruch in sich selbst. Selbstverständlich - wie könnte es unter Menschen anders sein - werden uns sehr verschiedene Deutungen dieses Erleuchtungserlebnisses vorgelegt.
Theravada ("Lehre der Alten")
Der sog. Theravada, der Buddhismus der alten Schule (lebendige Tradition vor allem in Sri Lanka, Thailand, Burma, Cambodja), steht nach westlichem Verständnis dem historischen Buddha weit näher als das ca. 500 Jahre nach Buddha sich entfaltende sog. "Mahayana" ("das grosse Fahrzeug"). Die im frühen Mahayana kreierte und heute geläufige Bezeichnung "Hinayana" ("das kleine Fahrzeug") wird von manchen Theravadin aber als leicht despektierlich empfunden. Im Theravada ist die Erleuchtung des Buddha begleitet von 4 Einsichten, den sog. vier edlen Wahrheiten, die als Zusammenfassung und Leitlinie für alle altbuddhistischen Lehren gelten dürfen. Jede dieser Einsichten führt uns wesentliche Aspekte altbuddhistischer Spiritualität vor Augen.

1. Die Einsicht, dass menschliches Leben in all seinen Aspekten leidvoll ist. Leben ist Bindung. Negative Bindung (z. Bsp. Hass) ist leidvoll in sich. Positive Bindung (z. Bsp. das wunderbare Leben als Prinz, das der junge Siddharta Gautama genossen haben soll) enthüllt sich in seiner Leidgebundenheit, sobald es gilt, von diesem Glück Abschied zu nehmen.

2. Die Einsicht, dass Lebensgier oder Durst die Ursache ist für alles Leiden. Wir leiden nur, solange wir wünschen, solange wir ja und nein sagen, solange wir an uns heranziehen und von uns weisen, solange wir lieben und hassen, uns sehnen und uns ärgern. Die Lebensgier, das ständige Nach-etwas-verlangen oder Etwas-bekämpfen, führt uns endlos in positive und negative Bindungen und treibt uns endlos durch den Tod in neue Geburt und von der neuen Geburt ins Altern und Sterben und in wieder neue Geburt. Samsara, Kreislauf der Geborenwerdens und des Sterbens, nennt der Buddhismus diese Wiedergeburtsreihen oder Reinkarnationsketten. (Von einer Seelenwanderung im eigentlichen Sinn des Wortes ist im alten Buddhismus nie die Rede, weil keine eindeutige geistige Identität, keine Seele, das eine Leben mit dem nächsten verbindet. Nur der ewige Lebensdurst verbunden mit karmischen Kräften, mit das eigene Schicksal bestimmenden positiven oder negativen Nachwirkungen der Taten aus den vergangenen Leben verbindet ein Leben mit dem Nächsten. Nur ein heilloser Impuls drängt ins nächste Leben, keine heimatlose, körperlose Seele.)

3. Die Einsicht, dass das radikale Loslassen jeder Gier, das Aufgeben jeden Wollens und Nichtwollens, das Freiwerden von jedem Lebensdurst Befreiung, Erlösung oder Erleuchtung bedeutet. Wer dieses Freiwerden schon in diesem Leben erfährt, ist - falls er aus eigenem Antrieb heraus zur Erleuchtung fand - ein Buddha, falls er sich durch einen Buddha inspirieren liess - ein sog. "Arhat". In jedem Weltzeitalter findet sich nur ein Buddha. Arhat gab es nach der Tradition der Theravadin zu Lebzeiten des Buddhas viele. Heute rechnet die alte Schule - wo sie nicht ins Meditationsbusiness einsteigt und allen Absolventen ihrer Kurse nach ein paar Wochen meditativer Schulung ein Nirvanatestat überreicht - mit wenigen wirklich Erleuchteten. Alle anderen - vor allem die meisten Laien - erwarten überhaupt nicht, dass sie in diesem Leben Erleuchtung erleben. Sie hoffen auf gute, heilsame Wiedergeburt in einem nächsten Leben und vielleicht nach noch ein paar heilsamen Leben zuguterlezt auf den Eingang in die grosse Befreiung, ins "Nirvana" ("Erlöschen"). Nirvana ist das Erlöschen jeden Lebensdurstes. Ohne Durst oder Gier hätten wir nicht in dieses Leben gefunden, und ohne Wollen ist auch im westlichen Verständnis des Menschen kein Menschsein denkbar. Weil unser Menschsein durch unsere Gier bestimmt wird, löst das Erleben des Nirvana unser Menschsein auf. Wir sind nicht mehr. Im Nirvana ist kein Ich und kein Du, keine Welt, keine Zeit, keine Gemeinschaft, kein Personsein. Nirvana ist befreiendes Nichts.

4. Die Einsicht, dass ein durch moralisches Verhalten und meditative Uebung geprägtes Leben (der sog. achtgliederige Pfad: "Rechtes Glauben, rechtes Entschliessen, rechtes Wort, rechte Tat, rechtes Leben, rechtes Streben, rechtes Denken, rechtes Sichversenken") zur Aufhebung des Leidens und zum Nirvana führt. Die Moral des alten Buddhismus ist - wie es bei der unterschiedlichen Zielsetzung für das eigene Leben nicht anders möglich ist - einerseits Mönchsmoral, mit relativ rigiden Regeln fürs möglichst harmonische, von Bindungen freie Zusammenleben der Mönche und Nonnen, andrerseits Laienmoral. Zu den Mönchsregeln des alten Buddhismus gehören z. Bsp. das Essen nur vor Sonnenhöchststand, das Liegen auf harten Betten, das Vermeiden jedes Gesprächs mit Frauen, und der Verzicht auf künstlerische Betätigung (Kunst, Tanz, Musik). Die Laienethik legt ihren Hauptakzent auf "Metta", "Güte", ein Wohlwollen, das der fromme Laienbuddhist in seiner Morgenmeditation nach allen Seiten hin wie Radiowellen auszusenden versucht, und das dann den Alltag mit möglichst viel harmonischer Freundlichkeit ausleuchtet. Die meditative Schulung beginnt nach den Anleitungen des Buddha mit Atemachtsamkeit (bei ruhigem Sitzen Beachten des eigenen Atemflusses), führt weiter zu Achtsamkeit beim Gehen, Essen, Sprechen, zu Betrachtungen eines zerfallenden Körpers oder eines schimmeligen Essens (Betrachtungen der Vergänglichkeit) bis zum Erleben des Abfallens jeder Bindung in der Erleuchtung. Der Buddha ist auf diesem meditativen Pfad keine Heilandsgestalt und kein Gott, den ich anrufe und von dem ich Hilfe erwarte. Er führt mich nur durch sein Beispiel auf seinem heilsamen Weg. Den Weg muss ich selber gehen. Theravada lehrt eine Art Selbsterlösung ohne Selbst. Niemand geht für mich und an meiner Statt den Weg in die grosse Befreiung. Und niemand trägt oder führt mich. Ich muss meinen Weg selbst gehen. Aber dieses Ich, das diesen Weg gehen muss, existiert nur, solange Durst da ist. In der Erlösung ist kein Ich mehr.

Mahayana ("Das grosse Fahrzeug")
500 Jahre nach Buddha breitete sich in einem grossen Teil des damals in Indien noch sehr lebendigen Buddhismus wahrscheinlich unter dem Einfluss der hinduistischen Philosophie und unter dem Eindruck einer zunehmenden Erstarrung und Dogmatisierung der alten Lehre die Erkenntnis aus, dass einerseits die Erleuchtung auf alten Pfaden beinah nicht mehr zu erreichen ist und dass andrerseits diese doktrinäre Enge und dieses Elitemönchtum sich nur zum Teil auf den Buddha berufen kann. Buddha hat seinen Jüngern- so hiess es nun - noch eine zugleich höhere und tiefere Erkenntnis vorgelegt. Zahllose Lehrreden, alle mit dem historischen Buddha sicher nur literarisch in Zusammenhang gebracht und nachträglich ihn oder seinen Schülern in den Mund gelegt, werden heute als sog. Mahayanasturen, Lehrreden des grossen Fahrzeuges, populär. Haupterkenntnis dieser für westliches Empfinden in seiner sich überschlagenden Argumentationsweise seiner Purzelbaumlogik nicht ganz einfachen Schrifttums ist die Erkenntnis, dass Nirvana und Samsara, das befreiende Ziel und die Welt des Leidens, sich nicht grundsätzlich, sondern nur graduell-erkenntnisgebunden voneinander unterscheiden. Der Unerleuchtete erkennt nur Samsara, Kreislauf des Leidens. Der Erleuchtete erkennt die Identität von Samsara und Nirvana. Erleuchtung, oder wie das grosse Fahrzeug am liebsten formuliert, "Shunyata" ("Leere"), ist das verborgene Wesen aller Dinge. Wir alle sind Buddha. Wir erkennen dies nur noch nicht. Während originaler Theravada nüchtern-atheistisch-nihilistisch wirkt, besticht Mahayana mit seiner faszinierenden Mischung von Nihilismus und Pantheismus, von Weltlosigkeit und Weltnähe. Zur Frage, wie denn das noch unerleuchtete Bewusstsein zur Erkenntnis der eigenen inneren Leere oder Buddhaschaft durchdringe, äusserst sich das grosse Fahrzeug mit einer beinah grenzenlosen Vielfalt spiritueller Wege, Richtungen, Schulen und Rituale. Das grosse Fahrzeug integriert, wo immer es sich ausbreitete (vor allem in Zentralasien, China, Korea und Japan) zahllose Gottheiten aus vorbuddhistischen Religionen in seinen Kosmos hilfreicher göttlicher Wesen. Diese Helfer, vor allem Bodhisattvas, werden zu einem Hauptmerkmal der Mahayana-Spiritualität. Der Druchbruch zum eigenen innersten Wesen geschieht nicht zuletzt mit aktiver Unterstützung hilfreicher Wesen. Der alte Buddhismus als Weg der Selbsterlösung verwandelt sich in einzelnen Schulen des Mahayana, vor allem im sog. Amidabuddhismus, in den sog. Schulen des reinen Landes, zur ausgesprägten Gnadenreligion. Im Zenbuddhismus, der im Westen bekanntesten Variante der Mahayana-Spiritualität, wird - im sog. Soto-Zen - Zazen, ein stundenlanges, beinah unerbittliches regungsloses Sitzen bei Betrachtung einer Wand, als Katalysator eingesetzt, der das normale Ichbewusstsein aufbricht und das Wesentliche, das Buddhawesen, erleben lässt. Im sog. Rinzai-Zen werden neben dem Zazen auch Koans eingesetzt. Koans sind meditative Denkaufgaben, an denen unser normales Bewusstsein scheitert. Koans zerbrechen, wenn sie intensiv genug, d.h. bis zur Verzweiflung, durchmeditiert werden, das normale Ich wie Axtschläge eine verschlossene Tür.
Vajrayana (Das "Diamantfahrzeug")
Bevor der einerseits durch die Renaissance der hinduistischen Mystik und Philosophie, andrerseits durch den Einfall der Moslems und die Zerstörung der verbleibenden buddhistischen Klöster zahlenmässig geschwächte Buddhismus in Indien in der Bedeutungslosigkeit versank, hatte er wie zur gleichen Zeit der Hinduismus zahllose tantrische Elemente in sich aufgenommen. Tantrismus - in seiner hinduistischen und seiner buddhistischen Variante - ist der Versuch, Hindernisse in Wege zu verwandeln. Steige auf durch das, was dich niederreisst. Mache dir deinen Widersacher zum Freund. Verwandle Dämonen in Engel. So oder ähnlich lauten die tantrischen Grundregeln. Die aus dem nun islamisch beherrschten Nordindien fliehenden buddhistischen Mönche suchten vor allem in Tibet eine neue Wirkungsstätte. In Tibet fand sich reichlich Möglichkeit, Hindernisse in Wege und vorbuddhistische heidnische Dämonen in hilfreiche Hüter der Lehre zu verwandeln. Auch Sexualität und Aggression, auch Angst und Tod sind Mächte, die der Tantriker durch seine gleichzeitig magischen und mystischen Rituale für sich und seinen Erleuchtungsweg nutzen möchte. Hauptsymbol dieser tantrischen Richtung des Mahayana wurde das Vajra, der Diamant oder der Donnerkeil. Der Diamant ist Sinnbild der Leere, die als Essenz alles Wirklichen kraftvoller ist als alle andere Realität. Der Diamant ritzt alles und wird von nichts geritzt. Weil aber diese magisch-mystische Verwandlung die intensive Begleitung durch einen Lama oder spirituellen Lehrer voraussetzt - wer ohne Meister den Dämonen befiehlt, dem geht es wie Goethes Zauberlehrling - wird das Diamantfahrzeug auch als Lamaismus bezeichnet. Der Natur dieser engen Meister-Schüler-Beziehung entsprechend entfalteten sich innerhalb des Diamantfahrzeuges zahlreiche verschiedene Schulen, von denen die sog. Gelugpas, die Gelbmützen, die zahlenmässig bedeutendsten sind. Der Lamaismus wirkt auf westliche Besucher geheimnisvoll, magisch, mystisch, formenreich, gegensätzlich. Der Versuch, das Negative ins Positive zu verwandeln, verwandelt lamaistische Tempel und Systeme in Einheiten voller Gegensätze, in Mysterienräume voller innerer Bilder und geheimnsvoller Wesenheiten. Verglichen mit der klaren Nüchternheit des alten Buddhismus, des Theravada, hat sich für das religionsgeschichtliche Empfinden dieser faszinierende Kosmos geistiger Wesenheiten und meditativer Erfahrungen meilenweit von der rigiden Lehre des historischen Buddha entfernt. Das heisst nicht, dass diese Ausweitung des alten Buddhismus zum Mahayana und dann zum Vajrayana der buddhistischen Mystik nur geschadet hätte. Aber je weiter sich das Feld buddhistischer Erfahrungen und Vorstellungen ausweitete, desto rascher konnte und kann die in sich klare und geschlossene Lehre des alten Buddhismus übersehen werden.
Buddhismus im Westen
Der Buddhismus - angeblich anders als das Christentum - verweist jeden Menschen auf seine eigene Erfahrungen und lässt ihn nur als wahr annehmen, was sich vor seinen Augen als wahr erweist. Wie weit der Buddhismus dieses Postulat nicht nur aufstellt, sondern auch durchhält, ist aber eine berechtigte und durchaus offene Frage. Der Verweis auf die eigene Erfahrung bei allem Verzicht auf blosses Glauben garantiert schon seit Generationen dem Buddhismus einen Ehrenplatz bei den kritischen Wahrheitssuchern des Westens. Ueberdies weiss der gebildete Westen - mit den dunkeln Kapiteln in der Geschichte des Christentums sattsam vertraut - kaum um die schwierigen Passagen in der Geschichte buddhistischer Tradition. Der Buddhismus gilt im Westen nur halbwegs zu recht als die friedliche Religion par excellence. Ein an christlichen Vorstellungen und Lehren irregewordenes und doch mystikhungriges Denken sieht sich heute fast automatisch auf buddhistische Vorstellungen und Lehren verwiesen, wobei es sich mit diesen im Westen noch unbelasteten und unverbrauchten Vorstellungen und Lehren problemlos anfreunden kann. Dieser sich vor allem unter Künstlern und Gebildeten ausbreitende Neo-Buddhismus des Westens bekennt sich zwar in seiner Selbstbezeichnung fast immer zur einen oder anderen traditionellen buddhistischen Schule. Der kritische Betrachter der neobuddhistischen Szene gewinnt aber den Eindruck, dass sich nach dem Theravada, dem Mahayana und dem Vajrayana in unseren Tagen ein viertes Fahrzeug in allen Formen des westlichen Buddhismus entwickelt, ein Buddhismus, für den der Weg wichtiger wird als das Ziel. Prozessfahrzeug oder pragmatischen Buddhismus könnten wir diese neue Form buddhistischer Spritualität nennen. Das Nirvana, die Leere, die vollkommene Erleuchtung - all dies interessiert die Neobuddhisten wahrscheinlich nur am Rande. Auch Spekulationen über geistige Wesenheiten, über zahllose Vorleben und evt. weitere Leben, über Buddhas anderer Zeiten und anderer Welten, treten zurück, kurz der ganze spirituelle Kosmos, der sich im Verlaufe der Jahrhunderte im Buddhismus entfaltete, ist Nebensache. Hauptsache: Der Buddhismus hilft mir hier und heute meinen Geist so zu schulen und zu reinigen, dass ich klarer, würdiger, gelassener, heiterer meinen Alltag bewältigen kann. Wenn ich buddhistisch meditiere, muss ich in Kürze positive Veränderungen in meinem Geist und meinem Leben spüren. Sonst schlage ich andere spirituelle Wege ein. Offensichtlich erleben zahlreiche Westler den Buddhismus als die valable, d.h. binnen kurzer Zeit positiv wirksame Spiritualität. Anders lässt sich die Beliebtheit buddhistischer Meditationspraktiken im Westen nicht erklären. Wie aber der Weg wichtiger ist als das Ziel, ist auch die Welt und das Hier und Jetzt wichtiger als das Nichts, das weltlose letzte Erlöschen. In seiner Bewertung des Hier und Jetzt und seinem Ja zur Welt hat das Prozessfahrzeug innerhalb der Geschichte des Buddhismus nochmals völlig neue Akzente gesetzt. Das befreiende Nichts des Erlöschens verblasst in der Liebe der neuen Buddhisten zum geläuterten Leben im Hier und Heute. Zudem: Der neue Buddhismus hat die spirituellen Forderungen der alten Fahrzeuge selbstverständlich auf ein für gehetzte westliche Laien erträgliches Mass reduziert. Statt jahrelanger meditativer Uebung in Waldeinsamkeit bieten dem neuen Trend gegenüber aufgeschlossene Theravada-Klöster Wochenkurse mit angeblich ebenfalls phänomenaler Wirkung an. Noch drastischer zeigt sich die Reduktion des Tradierten auf das dem Westen Konforme im zeitgenössischen Zen. Die alte Unerbittlichkeit des Zenweges hat - je deutlicher Zen sich dem Westen öffnet - inzwischen in weiten Teilen der westlichen und östlichen Welt einem praktikablen Kommerz-Zen Platz gemacht. Zen für atkive Westler ohne alle mönchischen Ambitionen kann nicht mehr dasselbe sein wie Zen für japanische Mönche. Der Eine übt Zen als entspannenden Teil seines gestressten Lebens, der Andere möchte sein ganzes Leben als ein Teil des Zen verstehen. Die Popularisierung des Zen in der westlichen Welt musste sich zwangsläufig mit seiner Verwässerung verbinden. Christliche Bildungshäuser sind - dies sei nur am Rande vermerkt- wenn es um die Verwässerung des Zen in der modernen Welt geht, zumeist ahnungslos und nur aufgrund der Liebe christlicher Medationslehrer zu östlichen Meditationsformen, an vorderster Stelle mit von der Partie. Einen besonderen Stellenwert innerhalb des neuen Buddhismus des Westens nimmt das Vajrayana ein. Sein magischer Beigeschmack, sein Verweis jedes Suchenden an seinen Meister und das erschütternde und beeindruckende Schicksal des tibetsichen Volkes unter der Herrschaft Rotchinas sichern dem Vajrayana einen besonderen Platz unter den Wahrheitssuchern des Westens. Der leidige und wahrscheinlich für niemanden völlig durchsichtige Streit um den Dämonen, Bodhisattva oder Buddha Dorjee Shugden, in der jüngsten Vergangenheit unter Lamaisten im Exil mit überraschender Heftigkeit ausgetragen, kann dieser Beliebtheit keinen Abbruch tun. Die erwähnte Auseinandersetzung zeigt, wie schwierig es selbst tantrischen Mystikern fällt, Dämonen in Schutzgeister zu verwandeln und durch Widerstand Freundschaft zu gewinnen.
Georg Schmid, 1998
Letzte Aenderung 1998, © gs 1998, Infostelle 2000
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