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  St. Michaelsvereinigung Paul Kuhn, Dozwil
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  Das St. Michaelswerk nach Paul Kuhn
Drei Tage vor Michaelis ist Paul Kuhn, der Gründer des Michaelswerkes in Dozwil/Thurgau, am 26. September 2002 im Alter von 82 Jahren gestorben. In den 60er Jahren nahm die Bewegung, beflügelt durch das Medium Maria Gallati, die himmlische Botschaften des Erzengels Michael empfing, ihren Anfang. Bereits in den 70er Jahren erregte das Werk Aufmerksamkeit in den Medien. Nach dem Tod Maria Gallatis anfangs 1988 erreichte diese Aufmerksamkeit im Frühjahr desselben Jahres ihren Höhepunkt. Ein gross angelegtes Medienspektakel führte in Dozwil zur Eskalation. Grund hierfür waren von der Vereinigung publizierte Botschaften eines unmittelbar bevorstehenden Weltuntergangs (s. Übersicht: Apokalyptische Botschaften des Himmels?). Nach dem Aufruhr und nicht eingetretener Vorhersagen wurde es um Paul Kuhn und die Seinen ruhiger. Ein neues Medium, Ueli Aeberhard als reinkarnierter Matthäus, stellte sich ein. Die Gemeinschaft korrigierte ihre apokalyptischen Visionen und konsolidierte sich. Neben zahlreichen auswärtigen Mitgliedern bilden heute etwa 50% der EinwohnerInnen von Dozwil den Kern der Gemeinde. Die Zuzüge von Mitgliedern lassen in letzter Zeit nach, was sich an der Schwierigkeit zeigt werkei-genes Bauland zu verkaufen. Sowohl der Gemeindeamman neben einem weiteren Gemeinderatsmitglied als auch der Schulpräsident sind Anhänger der Vereinigung, was für die Arbeit in den Gremien eher weniger Probleme bringt. Das Zusammenleben im Dorf hat sich normalisiert.

Neben Paul Kuhn (Paulus) hat in den vergangenen Jahren Ueli Aeberhard (Matthäus) eine zunehmend zentrale Rolle eingenommen. Nach dem Tod von Paul Kuhn führt dieser nun das Werk weiter. Am Sonntag, den 22.September, besuchte ich mit ähnlichen Erfahrungen wie Georg Schmid (s. Übersicht: Der offene Himmel über Dozwil) einen Gottesdienst mit acht Taufen. Bezeichnenderweise wurde in der Predigt festgehalten, dass noch nie zuvor wie an diesem Wochenende himmlische Mächte und Engel eingefahren seien, was der Eingeweihte an dem mächtigen Beben der Kirchenmauern feststellen konnte. Und das vier Tage vor dem Tod von Paul Kuhn. Was soll dem Werk mit den himmlischen Heerscharen an seiner Seite also Übles geschehen? Deutlich wird, dass die Naherwartung des Weltendes der "Ausbreitung der Lehre", sowie dem grösseren Stellenwert der Verkündigung gewichen ist. Auch soll der "Ganzheitlichkeit" des Lebens dadurch mehr Beachtung geschenkt werden, dass die "Stiftung Sokrates" ins Leben gerufen werden soll. In Güttingen /Thurgau entsteht eine Klinik, die sich den Heilverfahren der klassischen Homöopathie und Musiktherapie verschreiben und neue Arzneimittel und Therapien entwickeln will, und für alle Menschen offen ist. Ärzte, die Mitglieder des Michaelswerkes sind oder ihm nahestehen, werden dort ihr Betätigungsfeld suchen (Infos auf www.stiftung-sokrates.ch). Aus der Abgrenzung soll Öffnung geschehen, und dies besonders durch die Verkündigung. Ueli Aeberhard: "Eine Inspiration: Ich soll regelmässig an Samstagen von 16.00 bis 17.00 Uhr vor verschlossenem Vorhang eine öffentliche Predigt halten, weil es zu lange dauert, in einer Predigt alles zu sagen. Also, ich werde den Zeitpunkt bestimmen dürfen und wie oft das sein darf, vielleicht monatlich einmal und dann mehr. An Samstagen von 16.00 bis 17.00 Uhr hier in der Kirche vor geschlossenem Vorhang werde ich dies alles deutlicher und deutlicher sagen. Dazu ladet ihr bitte viele Menschen ein. Ich möchte, dass da viele kommen. Ihr seid doppelt beauftragt, an euch und an der Umwelt zu arbeiten. Es ist dringend, sehr dringend. Ihr sollt diesen Auftrag weitergeben. Ich werde den ersten Samstag dann noch bekannt geben. Das ist mir jetzt gerade gegeben worden aus dem Geiste des Heiligen Jakobus. Benedicite!...." (Aus der Predigt des Matthäus vom 13. 05. 2001). Neben die Vision tritt die Predigt als beinahe gleichwertig. Das Gefäss für den offenen Himmel wird zunehmend das Amt der Verkündigung und die Institution.

In den Säuglingstaufen erlebt man einen starken Drang zu altkirchlicher Symbolik (Entsagung des Satans stellvertretend durch die ganze Gemeinde, Wassertaufe, anschliessende "Versiegelung" mit dem Heiligen Geist). Damit vermischen sich gnostisches und reinkarnatives Gedankengut: Am Anfang werden die Säuglinge als reinkarnierte Seelen begrüsst, die nach langer Irrfahrt im menschlichen Körper und der Gemeinde angekommen sind. Von zunehmender Bedeutung wird die Feier des "Heiligen" und "Mysteriums", sowie die Herausstellung der Familie als Abbild der heiligen Familie (Maria, Jesus, Josef). Es scheint, dass die gnostisch, reinkarnative, mystische und esoterische, sowie frühkirchlich-symbolhafte Lehre des Michaelswerkes in Zukunft, sollte das "Dozwil-Syndrom" überwunden werden, sehr anziehend werden kann, waren doch viele Jugendliche und Familien anwesend, die in grosser Andacht versunken dem Gottesdienst folgten. Hinzu kommt eine bestechende Inszenierung der Feier, die den Emotionen und Sinnen viel Raum gewährt. Der "offene Himmel über Dozwil" wird sich, vielleicht mit einer Träne in den Augenwinkeln, aber doch mit einem gütigen Lächeln einer Art kirchlichen Institution wohl nicht beugen, vermutlich aber freundlich zuneigen.

Hermann Maywald, 2002
Letzte Aenderung 2002, © hm 2002, Infostelle 2000
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