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  Rainer Harnecker
  Uebersicht
  Rainer Harnecker und Patty Schnyder - Eine Guru-Schüler-Beziehung?
Die Zusammenarbeit zwischen der Nummer neun des Damentennis, der Schweizerin Patty Schnyder, mit dem deutschen Fitness- und Mentaltrainer und Heiler Rainer Harnecker hat die Medien und die Oeffentlichkeit hierzulande irritiert. Schon scheint sich eine Polarisierung der öffentlichen Meinung abzuzeichnen: während die einen davon ausgehen, dass eine 20jährige hier mit Hilfe eines väterlichen oder auch nicht nur väterlichen Freundes die Abnabelung aus einer sehr engen Familienbindung schafft, wie sie für Tennisasse ja nicht unüblich ist, nehmen andere besorgniserregende Veränderungen an Patty Schnyder wahr, die bei Sektenbeitritten ihre Parallelen haben. Harnecker erscheint dieser letzteren Sicht als Guru, der Schnyder in sektenhaften Bann zog. Aus meiner Perspektive schliessen sich die beiden Deutungen des Gespanns Harnecker-Schnyder gegenseitig nicht aus. Gurubeziehungen junger Menschen stellen recht häufig auch den Versuch der Abnabelung dar und treffen deshalb sehr oft Personen, die sich vorher durch eine ausgesprochen enge Bindung ans Elternhaus ausgezeichnet haben.

Im folgenden sollen einige Aussagen Patty Schnyders und ihres Umfeldes in diesem Sinne gedeutet und auf Parallelen bei Guru-Schüler-Beziehungen befragt werden. Selbstverständlich ist die folgende Deutung eine Interpretation, die für sich allenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit, aber keinesfalls Gewissheit in Anspruch nehmen kann. Es muss deshalb offenbleiben, dass sich die Beziehung Harnecker-Schnyder dereinst als mit einer Guru-Schüler-Relation gänzlich unvergleichbar herausstellen wird. 

"Es ist so vieles neu. Am Anfang war bei mir viel Skepsis dabei. Doch als ich es ausprobiert habe, ging das alles in Faszination über."

Patty Schnyder

Die Begegnungen von Menschen mit ihren späteren Gurus folgen nicht einem bestimmten Schema, sondern geschehen individuell so verschieden wie der Anfang von Liebesbeziehungen. Während die einen Guru-Anhänger davon berichten, dass sie von ihrem Meister unmittelbar angesprochen, fasziniert waren, blieben andere zuerst skeptisch bis ablehnend und liessen sich erst durch Lehre und Praktiken oder durch die menschlichen Qualitäten des Meisters überzeugen. Mit der Zeit entwickelt sich aber eine Faszination, die derjenigen einer Verliebtheit gleichkommt, ja diese sogar übersteigt. Der Guru ist nicht nur Geliebter, er ist Vater, Freund, beste Freundin, alles in einer Funktion. Er füllt so das Leben des Anhängers nach und nach zur Gänze aus. Seine Nähe ist alles, was der Anhänger braucht.

 

"Einige gaben mir auch den Rat, vorsichtig zu sein. Aber das war ich ja auch die ganze Zeit."

Patty Schnyder

Wer zu einem Meister fand, pflegt mit dem Brustton der Ueberzeugung festzuhalten, dass er seinen kritischen Verstand keinesfalls an der Garderobe abgegeben, sondern sich im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte nach eingehender und gründlicher Prüfung dem Guru hingegeben habe. Dass sich der kritische Verstand nach und nach nicht mehr gegen den Guru, sondern nur noch gegen Aussenstehende richtet, fällt dem Schüler selbst nicht auf. Er meint, immer noch kritisch zu prüfen, aber halt nichts zu finden, was problematisch wäre.

 

"Warum soll ich einen Menschen entlassen, der nichts Böses getan hat, der mir nur Gutes will, der mir weiterhelfen will?"

Patty Schnyder

Der Meister will nur das Gute, ja das Beste. Der Schüler schliesst aus dem Glück, das er in der Nähe des Gurus erlebt, auf die Absichten des Meisters. Wer mich so glücklich macht, mich so reich beschenkt, der kann nichts Uebles wollen. Würde ich sonst ein solches Glück erleben? Dass der Guru auch egoistische Ziele verfolgt, zum Beispiel seine Publizität und damit seinen Umsatz vermehren will, gerät so nicht in den Blick. Und wenn es auffallen sollte: Was der Meister tut, ist ja ohnehin nur zum Besten des Schülers.

 

"Ich bin überzeugt, dass es für mich so das Beste ist. Ich will mit Rainer zusammen arbeiten, weil das die beste Lösung für mein Tennis ist. Ja, so ist es jetzt einfach!"

Patty Schnyder

Wer seinen Meister gefunden hat, für den wird alles ganz einfach. Alle Fragen haben sich geklärt. Der Schüler ist am Ziel angelangt. Das mühsame Schicksal des Erwachsenen, permanent Entscheidungen treffen zu müssen, ist abgelegt. Es ist einer da, der das für mich macht. Ich kann mich einfach hingeben, treiben lassen. Einer führt mich auf dem rechten Weg. Der Meister bringt mich zurück in die Geborgenheit des Kindes im Mutterleib.

 

"In diesem Fall lasse ich mir aber nichts mehr sagen."

Patty Schnyder über die Causa Harnecker

Wenn jemand den Anhänger aus dieser Geborgenheit beim Meister herausreissen will, dann wehrt er sich. Wie können Menschen, die behaupten, mich zu lieben, mir das nehmen wollen, was mir gut tut? Offensichtlich stimmt etwas mit dieser Liebe nicht. Hier heisst es deshalb vorsichtig zu sein. Offenbar merke nur ich, was für mich das Richtige ist. Da gilt es hart zu bleiben.

 

"Ich glaube ihr das nicht."

Patty Schnyder über Sylvia Plischkes Aussage, dass Harnecker sie geküsst habe

Wenn der Schüler am Guru nur das Gute in reiner Form erlebt, dann können Berichte, die dem Meister auch unsaubere Seiten attestieren, einfach nicht stimmen. Solche Geschichten können nur Lüge sein, gezeugt aus Neid und Missgunst. Der Meister kann keinen Fehler haben.

Hier setzt der Guru-Schüler-Lackmus-Test an: Wenn jemand bei einem anderen Menschen keinen Fehler mehr sehen kann, hat er sich in eine guru-schüler-artige Abhängigkeit begeben. Patty Schnyder scheint diesen Stand erreicht zu haben.

 

"Ueber diesen Rummel kann ich nur lachen."

Patty Schnyder über kritische Berichterstattung in den Medien

Wer zur Urgeborgenheit beim Meister gefunden hat, kann gelassen bleiben, auch wenn die ganze Welt zusammenbräche. Was solls? Ich habe gefunden, was ich brauche.

Das ominöse Sektierer-Lächeln ist in diesem Zusammenhang nicht nur aufgesetzt, wie Aussenstehende gerne vermuten. Es legt Zeugnis ab darüber, dass einen das, was ausserhalb der Meister-Schüler-Beziehung passiert, im Grunde nichts angeht, nicht betrifft. Es ist nicht wichtig. Es nötigt einem ein Lächeln ab.

 

"Stimmt es denn nicht, dass Ihr Vater Sie rausgeworfen hat?" "Doch, das kann man schon so sagen", antwortet Patty höflich. Lächelt.

Bericht von Marcel Lätsch im Blick

"Es ist mir unverständlich, wie Patty jetzt so glücklich wirken kann, während ihre Eltern zu Hause am Boden zerstört sind."

Barbara Schett

Wer beim Meister gefunden hat, wonach er sich sehnte, Sicherheit, Halt und Stütze, braucht bisherige Lebenshilfen nicht mehr. Sozialkontakte, die einen gehalten haben, sind zur Gänze unnötig geworden. Eigentlich belasten sie nur noch. Wenn sich diese Menschen dann von selbst zurückziehen, ist dies eigentlich ein Glück. Es entspannt.

 

"Zwischen uns ist es nicht mehr wie früher. Es ist aus!"

Patty Schnyder zu ihrem Freund

Kommt der Rückzug bisher wichtiger Menschen nicht von selbst, muss der Schüler nachhelfen. Seine Bedürfnisse sind beim Meister vollkommen gestillt. Bedürfnisse als Motiv zum Erhalt von Beziehungen entfallen. Die Beziehungen werden lästig. Weg damit.

 

"Ich sagte meinen Eltern immer: hört mal zu, was er zu sagen hat. Doch das nützte alles nichts. Sie wollten einfach nicht."

Patty Schnyder

Das einzige, was den werdenden Schüler belastet, ist die Tatsache, dass nicht alle Menschen das Glück, das vom Meister ausgeht, erleben. Menschen, die man vormals als verständig erlebt hat, werden nicht gewahr, wie einleuchtend die Wahrheit ist, die der Guru lehrt. Sie, die bisher jeweils weise Entscheidungen getroffen haben, weigern sich, den einzigen Weg zu gehen, der vernünftigerweise möglich ist. Der Schüler versucht verzweifelt, die anderen von der Wahrheit, die er erlebt hat, zu überzeugen. Er scheitert, und ringt nach Erklärungen. Mit der Zeit wird er sie haben: Manche sind eben noch nicht so weit, auch wenn sie klug scheinen, manche sind nicht erwählt oder noch zu wenig oft inkarniert, oder beeinflusst von neidischen und missgünstigen Menschen, oder besetzt von dunklen Mächten, oder gefangen in einer Düsternis der Unwissenheit etc. Mit diesen Menschen wenig zu tun zu haben, ist jedenfalls besser.

 

"Er war mir von Anfang an unsympathisch. Mit seinem Gerede, mit seiner Art."

Barbara Schett über Rainer Harnecker

Während der Guru mit seinem Charisma und seiner Botschaft auf die einen Menschen faszinierend wirkt, stösst er andere ab. Gurus polarisieren. Sie rufen in die Entscheidung. Entweder ganz für mich, oder gegen mich. Eines kann aber gesagt werden, der Guru ist ein Mensch, der niemanden kalt lässt.

 

"Hühnerkram", "Hokuspokus"

Töns Haltermann über Harneckers "System"

Was der Schüler als die grosse Wahrheit, als den einzigen Weg erlebt, scheint anderen nur absurd. Als eine wenig originelle Kombination schon dutzendfach gehörter Ernährungsratschläge mit Fitnesstipps der gebräuchlichen Sorte zum Beispiel, aufgemotzt durch eine hochtrabende Begrifflichkeit und den Verweis auf einen angeblichen "Lehrer", der wohl aus den ätherischen oder astralischen Ebenen herunterwirkt und -redet, das Ganze vermittlet mit einem ungeheuren Sendungsbewusstsein und einem immensen Wirksamkeitsanspruch. Dem Aussenstehenden scheint die Lehre des Meisters so unplausibel, ja so offenkundig aus schon vorliegenden Versatzstücken zusammengewerkelt, dass der Verdacht des Nepps respektive gar des Betrugs aufkommt. Was für den Anhänger die Lösung aller Probleme ist, wirkt auf den Aussenstehenden wie banalste Dutzendware.

 

"Harnecker lügt von A bis Z"

Willy Schnyder

Dass der ausgetretene, matschige und abschüssige Trampelpfad, den der Guru in der Sicht von Aussenstehenden als einzigen Weg verkauft, auf den Schüler als goldgeflieste Bahn zum Glück wirkt, erscheint dem Angehörigen des werdenden Schülers unplausibel. Hier muss noch anderes im Spiel sein. Hier kann es nicht mit rechten Dingen zu und her gehen. Der werdende Schüler, den man bisher als kritischen Geist erlebte, müsste sonst doch merken, was da los ist. Der Verdacht, dass arglistige Täuschung im Spiel ist, drängt sich als Erklärungsansatz auf.

 

"Patty wirkte oft abwesend. Wie hypnotisiert."

Schnyders Ex-Freund

Aussenstehende nehmen wahr, wie der werdende Schüler sich in seiner Nähe zum Meister selbst zu genügen beginnt. Die Kommunikation beschränkt sich auf die wesentliche, die einzig wichtige Beziehung, diejenige zum Meister. Andere Kommunikationsfäden werden dünner, reissen. Es entsteht der Eindruck des Abwesenden. Und das offensichtliche Aussetzen, Hinanstellen des kritischen Verstandes errinnert an Hypnotisierte, die tun, was immer der Hypnotiseur von ihnen verlangt. Wurde der Schüler wohl in diesem Sinne manipuliert?

 

"Sie ist nicht mehr sich selber."

Willy Schnyder über seine Tochter

Angehörige erleben den werdenden Schüler von einer ganz neuen Seite. Waren sie bisher wichtige Bezugspersonen, hat sich diese Funktion nun völlig erledigt. Sie sind x-beliebige Aussenstehende geworden, und sie haben sich korrumpiert durch die Tatsache, dass sie den werdenden Schüler von seinem Glück abbringen wollen. Im Grunde sind sie in die Rolle des Feindes geraten. Und entsprechend wird sich der werdende Schüler ihnen gegenüber verhalten. Die Angehörigen nehmen ihn so als gänzlich verändert, als umgekrempelten Handschuh war.

 

"Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass Patty total besessen ist. Und dass sie verliebt ist, auch wenn sie es bestreitet!"

Willy Schnyder

Die Kritiklosigkeit, mit welcher der Schüler dem Meister gegenübertritt, lässt die Aussenstehenden nach Erklärungen ringen. Wie kann das geschehen? Erklärungen lösen sich ab, widersprechen sich und scheitern zuletzt, weil keine Metapher die Totalität der Hingabe an den Guru wirklich einfangen kann. Der Guru ist nicht nur Liebhaber, auch wenn er dies auf einer geistigen Ebene sicher und auf einer körperlichen vielleicht auch ist. Letzteres ist aber nicht mal nötig. Das Zusammensein mit dem Guru ist befriedigender als der beste Sex. Das Bild der Besessenheit trifft ein Wesentliches: Die Beziehung zum Meister scheint den Schüler total zu ergreifen, bis in jede Zelle seines Körpers, bis in jeden Winkel seiner Seele, genauso, wie frühere Zeiten sich die Herrschaft eines Dämons über den Leib und die Seele des Opfers vorgestellt haben.

 

"Das ist nicht mehr meine Patty!"

Willy Schnyder

Das besitzanzeigende Fürwort, das der Vater bezüglich seiner Tochter zu gebrauchen pflegt, hat sich nun tatsächlich erledigt. Nun ist sie Harneckers Patty. Der Weg jugendlicher Schüler führt nicht selten vom Vater zum Ersatz-Vater. Die Bindung an den Vater war eng, sehr eng. Eine langsame, "natürliche" Ablösung scheiterte. Wie das Hartplastikband im Gegensatz zum elastischen Gummiband sich zuerst sperrt, aber dann irgendwann reisst, wenn der Zug auf einer Seite stärker wird und es eine grösser werdende Distanz überbrücken sollte, brechen gerade enge Eltern-Kind-Beziehungen gerne abrupt auseinander. Junge Menschen in dieser Situation sind für Gurus besonders empfänglich, da diese die Rolle des Ersatzpapis ja mit im Angebot haben. So hilft einer mit, am allzuharten Band zu zerren und fängt einen im Fall, den der Riss des Bandes zur Folge hat, auf. Und es entspinnt sich ein neues Band, das zuerst als Stütze erlebt wird, dann aber alsbald ebenso belastend wird. Der jugendliche Schüler wird wiederum zu zerren beginnen. Am Ende wird Patty Schnyder, es ist ihr zu wünschen, das sein: Weder Papis Patty noch Harneckers Patty, sondern ihre eigene Patty.

Georg Otto Schmid, 1999
Letzte Aenderung 1999, © gos 1999, Infostelle 2000
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