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  Die geheimen Tempelrituale der Mormonen
Kurzinformation über das Tempelritual der HLT
aus: Informationsblatt Nr. 2/1986

Die Mormonen (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage) errichten Gemeindehäuser und Tempel. Die beiden Gebäulichkeiten sind nicht zu verwechseln. Sie haben eine ganz unterschiedliche Funktion. Die Gemeindehäuser dienen den einzelnen örtlichen Gemeinden als Zentren für das kirchliche und gesellschaftliche Leben. In den Tempeln werden besondere, für das zeitliche und ewige Leben der Mormonen ganz entscheidende Handlungen vollzogen. Es sind dies das Endowment, die Siegelungen (Tempelehe, Siegelungen der Kinder an die Eltern) und die Totentaufe. In der Schweiz begeben sich die Mormonen in den 1955 eröffneten Tempel in Zollikofen BE. Nach der Einweihung des Tempels in Freiberg/Sachsen im Jahre 1985 stehen weltweit 47 Tempel in Betrieb oder im Bau.

Der Zutritt zum Tempel ist nur den Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gestattet. Für die Teilnahme an den Ritualen muss ein vom örtlichen Gemeindevorsteher (Bischof) und vom Bezirksleiter (Pfahl-Präsident) unterzeichneter "Tempelempfehlungsschein" vorgewiesen werden. Die Gesuchsteller empfangen den "Tempelempfehlungsschein", nachdem sie in einer Aussprache bestätigt haben, dass sie moralisch rein und würdig sind, den Tempel zu betreten, und dass sie u.a. die Führer der Kirche unterstützen, die Lehren der Kirche anerkennen, den Zehnten bezahlen und die Gemeinde fördern. Die Rituale sind streng geheimzuhalten. Sie waren denn auch bis vor kurzem Aussenstehenden kaum bekannt. Nun hat jedoch Rüdiger Hauth, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der westfälischen Landeskirche (BRD), in die geheimen Rituale der Mormonen Einblick nehmen können. Sie sind ihm von ehemaligen Tempelarbeitern (Amtierende beim Ritual) in den Tempeln von Salt Lake City und Los Angeles zugänglich gemacht worden. R. Hauth hat den Text der Tempelrituale übersetzt und veröffentlicht, so dass er zum ersten Mal von einem breiteren Kreis nachgelesen werden kann. (R. Hauth: Tempelkult und Totentaufe, Gütersloh 1985).

Robert Mullen schrieb in seinem Buch über die Mormonen, ein Nichtmormone könne unmöglich begreifen, welche besondere Bedeutung die Tempel für die Mormonen haben (deutsche Übersetzung, 1968, S.245). Mit dem Eintritt in den Tempel schreitet der Mormone tatsächlich in eine Welt hinein, die evangelischen und vielen andern Christen fremd ist. Der Hintergrund zum Verständnis der Rituale bilden die mormonischen Lehren vom menschlichen Leben, die zur Hauptsache auf "Offenbarungen" von Joseph Smith (1805-44) zurückgehen. "Der Gesamtkomplex des Rituals (vor allem des Endowment) lässt sich als Versuch verstehen, die Frage nach dem Woher und Wohin des Menschen 'mormonisch' zu beantworten und dabei gleichzeitig die Lehre vom 'immerwährenden Fortschritt' handgreiflich zu vermitteln. Das Endowment zeichnet also den Weg nach, den ein 'Geistfunke' vom Verlassen der 'himmlischen Welt' bis zur Rückkehr dorthin durchläuft. Bei der irdischen Geburt (Einkörperung des 'Geistfunkens') betritt er als sterblicher Mensch die materielle Welt, durchwandert sie und kehrt schliesslich 'belehrt', 'geistig entwickelt' und mit den notwendigen Erkennungszeichen versehen nach dem irdischen Tod in das 'Celestiale Reich' zurück, um dort dann als 'Gott' auf der höchsten Stufe ewig zu existieren. In diesem typisch gnostischen 'U'-Bogen schwingen nun die Ritual-Teilnehmer symbolisch mit" (Hauth, S.128 f.).

Das Endowment ist die "Ausstattung", "Begabung" des Mormonen mittels zeremonieller Handlungen. Es beginnt für Männer und Frauen mit vorbereitenden Waschungen, Salbungen und dem Anlegen des Priestertumsgewandes sowie dem Empfang eines "neuen Namens". Die 25 Teile des Endowment füllen (kurze erklärende Einschübe von R. Hauth mitinbegriffen) 55 Textseiten. Sie enthalten zeremonielle und andere "heilige Handlungen", Belehrungen, Gesetze, Gelübde, Verpflichtungen, heilige Zeichen (die "unter keiner Bedingung, nicht einmal unter Lebensgefahr, verraten werden" dürfen) und Segnungen. Die 25 Abschnitte tragen u.a. Ueberschriften wie "die Schöpfung, der Garten Eden, das Gesetz des Gehorsams, das Gesetz des Opfers, das Erste Erkennungszeichen des Aaronischen Priestertums", dann das "Erste Erkennungszeichen des Melchizedekischen Priestertums, das Gesetz der Hingabe und die Schlusszeremonie am Vorhang" (während der der "Herr" die Erlaubnis zum Eintritt in den Celestialen Raum erteilt). Im Verlaufe der Handlungen, die einem Drama ähnlich ablaufen (heute eher als Film), sind nicht nur die Stimmen von Adam und Eva, sondern auch von Elohim, Jehova, Luzifer und dann auch von Petrus, Johannes und andern hörbar.

Der Text der Siegelungen (Tempelehe und Siegelungen der Kinder an die Eltern) ist nur kurz. Die entsprechenden Handlungen finden in speziell zu diesem Zwecke eingerichteten Räumen statt. Zur Siegelungsfeier gehören eine Ansprache des Tempelbeamten (Sealer), die Aufforderung zur ganzen Bereitschaft für den Ehegatten und zur Einhaltung aller Gesetze, Rituale und Verordnungen, die zum "Heiligen Ehestand des Neuen und Ewigen Bundes gehören", das Jawort (der Braut) und die Verleihung der Segnungen der heiligen Auferstehung, sowie der "Segnungen von Königreichen, Thronen, Fürstentümer, . . . einschliesslich der Segnungen Abrahams, Isaaks und Jakobs". Die so im Tempel gesiegelten Ehen werden nach der Meinung der Mormonen auch nach dem Tode Bestand haben, und die so Getrauten "werden Götter sein, denn sie haben alle Macht, und die Engel sind ihnen untertan" (Lehren und Bündnisse 132,20). Ledige können dieser Verheissungen nicht teilhaftig werden.

Was aber geschieht mit all denen, die zu ihrer Lebzeit die mormonischen Segnungen nicht empfangen haben? Mit der ebenfalls im Tempel vollzogenen Totentaufe und der Toten-Ehesiegelung können sie nachgeholt werden. Voraussetzung sind die genauen genealogischen Daten des Verstorbenen. Die Totentaufe mit Untertauchen in einem grossen von 12 Bronzeochsen getragenen Taufbecken wird stellvertretend an einem Gemeindeglied vollzogen. In der anschliessenden "Confirmation" wird dem Verstorbenen die Mitgliedschaft in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bestätigt und der Heilige Geist verliehen. Männern wird gleichzeitig das Melchizedekische Priestertum mit der dazugehörenden Vollmacht übertragen.

Das Buch von R. Hauth, "Tempelkult und Totentaufe", ergänzt das bis anhin bekannte Bild der Mormonen an einem zentralen Punkt. Man wird in Zukunft nicht mehr über diese Glaubensgemeinschaft reden können, ohne "die geheimen Rituale der Mormonen" mit ihren verschiedenen Sonderlehren und Elementen miteinzubeziehen. Handelt es sich bei den Mormonen noch um eine "Kirche Jesu Christi" oder, wie R. Hauth erklärt, um eine "amerikanische Mischreligion"? Ihre Sprache klingt zwar christlich und oft biblisch, aber die Mormonen verstehen viele Ausdrücke anders als die christlichen Kirchen. Der sich weiterentwickelnde "Gott" der Mormonen ist nicht der ewige Gott der Bibel. Christi Erlösungstat muss durch die Werke des einzelnen Gemeindeglieds und der Mormonenkirche ergänzt werden. So konnte ein Mormonen-Ältester einmal erklären, dass die Mormonen "durch die Totentaufe mehr Seelen gerettet hätten als Jesus durch seinen Kreuzestod" (zit. in E. Anderson, Ich war ein Mormone, 1967, S.56). Die Mormonen zählen zwar die Bibel wie das "Buch Mormon", das Buch "Lehre und Bündnisse" und die "Köstliche Perle" zu ihren heiligen Schriften. Der Mormone R. J. Matthews, Dekan für religiöse Bildung an der Brigham-Young-Universität, bezeichnete kürzlich das Buch Mormon sogar als Zeugen für die Bibel. Im gleichen Artikel gibt er indessen auch seiner mormonischen Überzeugung Ausdruck, die Bibel habe "ihre ursprüngliche Klarheit und Vollständigkeit verloren". Und: "Viele wichtige Lehren, die die Bibel einst enthielt, die aber verlorengegangen sind, sind durch das Buch Mormon und durch neuzeitliche Offenbarung wieder hergestellt worden" ("Der Stern", Dez. 1985). Entgegen solchen Behauptungen ist jedoch festzustellen, dass die ursprüngliche Wahrheit der Bibel von den Mormonen in wesentlichen Punkten abgeändert wird.

Oswald Eggenberger
Letzte Aenderung 1986, © oe 1986, Infostelle 2000
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