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  Religiöser Konsumentenschutz
nötig, subjektiv, schwierig, effizient
Das religiöse Angebot entwickelt sich immer augenfälliger zum religiösen Markt, der in allen Landesteilen, vor allen Bevölkerungsschichten, Altersgruppen, Interessengruppen, vor alle Kirchenchristen und allen Konfessionslosen verwirrend bunte Wahrheiten ausbreitet. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen sich über dieses farbenreiche Angebot informieren lassen möchten. Dabei genügen ihnen in der Regel die Versprechungen der Anbieter nicht. Sie möchten auch hören, was kritische Beobachter zum betreffenden Angebot meinen. Oft interessiert auch kaum, welcher Ewigkeitswert den einzelnen Angebote möglicherweise zukommt. Was der Himmel über die Hunderten von Wahrheiten denkt, möchten die meisten Fragesteller gar nicht erst erfragen. Was der Himmel denkt, kann nur der Himmel wissen. Wie sich aber die entsprechenden Angebote im Leben der Menschen auswirken, welche Gefahren Menschen laufen, die sich dieser oder jener Wahrheit aussetzen, das möchten immer mehr Ratsuchende liebend gern wissen - wenn möglich schon bevor sie erst durch Schaden klug geworden sind. Kurz - religiöser Konsumentenschutz und religiöser Markt sind nicht mehr voneinander zu trennen. Wie häufig die Meinung des religiösen Konsumentenschützers gesucht wird, zeigen etwa die steigenden Besucherzahlen auf der Website unserer Informationsstelle: www.relinfo.ch. Zur Zeit suchen ca. 1200 Leute pro Tag auf unseren Seiten Information oder weiterführenden Rat.
Der Kampf ums besondere Angebot
Je bunter der Markt wird, desto marktschreierischer wird zum Teil auch geworben. Das grosse Angebot macht es für den einzelnen Anbieter schwierig, sich von den andern zu unterscheiden. Niemand will das Meer religiöser Meinungen und Gemeinschaften bloss durch eine weitere durchschnittliche Gemeinschaft erweitern. Jeder Anbieter engagiert sich wenn nicht für die einzige göttliche Wahrheit so doch für eine besonders himmelsnahe, menschenfreundliche, erlebnisintensive, bibeltreue, geistergriffene, erleuchtungsfrohe Form der Spiritualität. All diese Versprechungen, so hochgegriffen sie auch sein mögen, sollen die Neueintretenden sogleich erfüllt sehen. Denn die Erfahrungen des neuen Mitgliedes gelten als Beweis für die Echtheit des grandiosen Angebotes. "Komm zu uns," rufen uns Hunderte von esoterischen, buddhistischen, christlichen und anderen Gemeinschaften zu, "und du wirst selbst erleben, dass wir dir nicht zuviel versprochen haben."
Das Erleben des Neueintretenden als Kriterium der Wahrheit?
Die meisten Anbieter auf dem religiösen Markt der Gegenwart können und wollen gut und gerne auf jeden religiösen Konsumentenschutz verzichten. Religiöse Konsumentenschützer fördern die latente oder offene Skepsis gegenüber allen gleissenden Wahrheiten. Das Erleben des Neueintretenden genügt vielen Gemeinschaften vollkommen als Garantie für die Qualität ihres Angebotes. Als Beobachter des religiösen Marktes kann ich allerdings nie nur auf diese Erlebnisse der Neubekehrten achten. Denn zum einen weiss ich, wie liebevoll und manchmal sogar wie raffiniert neue Mitglieder umgarnt werden. Sie werden mit Liebesbekundungen und Wohlwollen von der neuen spirituellen Gemeinschaft so überschüttet, dass sie manchmal kaum mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht. Sind sie einmal in die Organisation fest eingebunden, lässt diese herzliche Aufmerksamkeit in der Regel merklich nach. Aber inzwischen ist das ganze eigene Denken und Empfinden derart durch die neue Gruppe und Gemeinschaft geprägt, dass kaum mehr Abfallgefahr besteht. Kurz - ich kann nicht bloss die Begeisterung der Neubekehrten als Kritierium für heilsame Wahrheit oder für menschenfreundliche Spiritualität gelten lassen. Berichte Ehemaliger, Erfahrungen langjähriger und ehemaliger Mitglieder und die Beobachtungen und Erfahrungen naher Verwandter und Freunde der Bekehrten prägen zusammen mit den Proklamationen der Bewegung, den Schriften der Gründergestalten und den Zeugnissen aus der Geschichte der Gemeinschaft mein Bild.
Konsumentenschutz ohne Inquisition
Vor Zeiten, als jede Kirche in ihren Stammlanden autoritativ die göttliche Wahrheit verwaltete und Religionsfreiheit noch ein unter vorgehaltener Hand besprochener Traum verwegener Vordenker war, da brauchte keine Kirche religiösen Konsumentenschutz. Damals liessen sich die Angebote der anderen zumeist mit inquisitorischer Grundhaltung niederschmettern. Man eruierte im Befragungsverfahren - "Inquisition" ist Befragung - die Abweichungen der anderen Meinungen von der eigenen religiösen Norm. Dabei galt jede Abweichung von der eigenen Norm notwendig als ein verhängnisvoller Irrtum, ein Irrtum zudem, mit dem sich der Irrende die ewige Seligkeit verscherzte. Religiöser Konsumentenschutz leidet immer noch ein wenig an dieser düsteren Vorgeschichte. Die eigene kirchliche Wahrheit gilt manchen kirchlichen Konsumentenschützern noch fast unbefragt als heilsam, menschenfreundlich und empfehlenswert. Was von dieser Wahrheit abweicht, ist oft schon per se höchst verdächtig. Gerade weil die Vorfahren der modernen Konsumentenschützer früher einmal als Inquisition auftraten und sich später als Apologetiker durch das weite Feld der Weltanschauungen durchkämpften, muss der moderne religiöse Konsumentenschutz bereit sein, ohne Ausnahme alle religiösen Angebote zu prüfen und zu erwägen. Die eigene Gemeinschaft ist nicht schon deshalb unverdächtiger, weil sie die eigene Gemeinschaft ist. Und schon gar nicht darf und soll die eigene Wahrheit das Mass für alle Wahrheiten sein.
Konsumentenschutz ohne Firmenbindung
Von seiner inquisitorischen Vorgeschichte muss sich der moderne religiöse Konsumentenschutz konsequent und mit sattsamer Deutlichkeit distanzieren. Er tut dies, indem er nicht für irgendeine kirchliche Wahrheit und Gemeinschaft kämpft, sondern für jede Form einer menschlich lebbaren und menschlich förderlichen religiösen Gemeinschaft. D.h. im konkreten Fall unserer Informationsstelle: Auch wenn die evangelischen Kantonalkirchen der deutschsprachigen Schweiz unsere Institution finanzieren, so ist es in keiner Weise unser Ziel, vor nicht evangelisch-landeskirchlichen Angeboten zu warnen, die eigenen Kantonalkirchen hochzujubeln und unsere Ratsuchenden möglichst wieder in den sicheren Hafen einer evangelischen Kantonalkirche zurückzuführen. Wir sind keine Aktion zur Heimführung verlorener Schafe, auch wenn es uns selbstverständlich freut, wenn Menschen aus ihnen schlecht verträglichen Formen totalitärer Spiritualität in menschenfreundlichere Formen des Glaubens zurückfinden können.
Kirche ohne Firmenmentalität?
Ich weiss, dass konfessionslose und freikirchlich organisierte Zeitgenossen diese offene und von Firmeninteressen freie Parteilichkeit der evangelischen Landeskirchen im Umgang mit religiösem Konsumentenschutz kaum verstehen können. Sie werfen uns immer vor, wir müssten als Institution der Landeskirchen notwendig für die Landeskirche werben und notwendig unsere eigene Kirche mit Kritik verschonen. Auch kirchenferne Politiker und Anwälte können kaum verstehen, dass ich innerhalb einer Landeskirche zwar für einen guten, menschenfreundlichen Glauben, aber nicht für meine Landeskirche werbe. Aussenstehende und Fernstehende sehen uns als Firma, die notwendig nur das Wohl der eigenen Firma im Auge hat. Wer aber in der Landeskirche beheimatet ist und in ihr sich engagiert, dem ist diese Offenheit und diese Freiheit von jeder religiösen Firmenbindung aus vielen Arbeitsbereichen unserer Kirchen bekannt. Der religiöse Konsumentenschutz der evangelischen Kantonalkirchen ist in seiner Freiheit von jeder Firmenbindung keine Ausnahme im kirchlichen Alltag, sondern beinahe die Regel. Auch als Gemeindepfarrer werbe ich gerne und oft für menschennahes Christentum. Dieses Christentum kann in meiner Kirche gelebt werden. Aber die Zugehörigkeit zu meiner Kirche ist mir nie ein wesentliches Anliegen. Wenn Aussenstehende diese firmenferne Mentalität der Landeskirche nicht für möglich halten, so kann man dies nur bedauern und sie bitten, in landeskirchliche Arbeitsabläufe ein wenig hineinzuhorchen. Sie haben bisher landeskirchliche Mentalität leider nie wirklich erlebt.
Agnostischer religiöser Konsumentenschutz?
Hie und da wird uns die Frage gestellt, ob es nicht besser wäre, Agnostikern das Geschäft des religiösen Konsumentenschutzes zu überlassen. Sie wären, heisst es dann in der Regel, wirklich objektiv und neutral. Dieser Vorschlag tönt in meinen Ohren wie die Idee, Musikkritik dem musikalisch in keiner Weise voreingenommen oder gänzlich unmusikalischen Ohr zu überlassen. Nichts wäre für Musikkritik unsinniger als diese Regel. Analoges gilt für Religionskritik. Religiöser Konsumentenschutz muss sich mit einem wachen Sinn für spirituelle Erfahrungen und Gemeinschaften verbinden. Sonst urteilen wir Konsumentenschützer zum vornherein neben unserer Sache vorbei. Freude an religiösen Erfahrungen, Ideen und religiösen Gemeinschaften ist das A und O einer verantwortbaren und einfühlbaren Beurteilung religiöser Aufbrüche und spiritueller Gemeinschaften. Wer diese Freude an Religion nicht in sich spürt und sich prononciert agnostisch und religionsfern versteht, taugt so wenig zum religiösen Konsumentenschützer wie der prononciert unmusikalische Mensch zum Musikkritiker.
Die wahren Probleme des religiösen Konsumentenschutzes
Die wahren Schwierigkeiten des religiösen Konsumentenschützers liegen keineswegs dort, wo er sich für Religion interessiert und sich an lebendiger offener Spiritualität freut und auch nicht dort, wo er sich ohne Firmenbindung in seiner Kirche engagiert. Wirklich an seine Grenzen stösst er dort, wo er spürt, dass sein Erfahrungskreis und sein religionskundlicher Horizont trotz intensiver Studien christlicher Gemeinschaften und anderer Religionen immer noch viel zu eng ist verglichen mit der grenzenlos bunten religiösen Gegenwart. Kein Mensch ist heute noch imstande, die ganze religiöse Gegenwart wirklich aus eigener Begegnung und eigenem Studium heraus zu kennen. Die adäquate Antwort auf diese Unmöglichkeit ist das Team. Wenn wir uns in der Informations- und Beratungsarbeit die religiöse Welt aufteilen können, wird unser Urteil erfahrungsnaher, kompetenter.
Eine weitere nie ganz zu überwindende Schwierigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass Menschen sehr unterschiedlich auf diese oder jene Form totalitärer Religiosität ansprechen. Die Gemeinschaft, die dem einen zum Verhängnis wird, durchlebt ein anderer ohne spürbaren Schaden. Urteile über die Problematik religiöser Gemeinschaften, die nicht die psychische Stabilität oder Labilität dieser oder jener direkt betroffenen Person mitbedenken, werden zur flachen Schönfärberei oder zum groben Zerrbild und - generell eingesetzt - zum programmatischen Fehlurteil. Nur aus der Kenntnis zahlreicher Einzelschicksale heraus lässt sich die Wirkung einer religiösen Gemeinschaft einigermassen zuverlässig einschätzen.
Zunehmende Effizienz?
Jeder Konsumentenschutz, auch derjenige, der das Angebot von Waschmitteln überprüft, wirkt nachhaltig nicht auf die Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auf die Anbieter. Die Anbieter schauen sich die betreffenden Verlautbarungen und Sendungen an und versuchen, ihre Produkte im angedeuteten Sinn positiv zu verändern. Genau die gleiche Erfahrungen machen religiöse Konsumentenschützer. Natürlich gelingt es uns nicht selten, Menschen hilfreich durch Krisen zu begleiten, die durch religiöse Gemeinschaften und Ideen mitverursacht wurden. Auch Journalisten holen gerne zu dieser und jener Gemeinschaft noch eine kritische Meinung ein. Die grösste Effizienz des religiösen Konsumentenschutzes zeigt sich aber dort, wo wir spüren, dass religiöse Gemeinschaften auf unsere Artikel und Stellungnahmen in sehr unterschiedlicher Weise reagieren.
Kritik an den Kritikern
Kritik an religiösen Meinungen und Institutionen wird im allgemeinen zwar nicht geschätzt. Denn Kritik an Religion ist für viele Menschen immer noch ein Sakrileg. Entsprechend heftig werden wir von manchen Gemeinschaften angefeindet. Aber auch Feindschaft ist eine engagierte Form von Reaktion. Feindschaft zeigt uns, dass wir gehört werden. Nicht selten stellen wir auch fest, dass auch die aufgebrachten Reaktionen mit der Zeit sanfter werden, oder dass die von uns kritisierten Aspekte einer Bewegung vielleicht nicht offiziell geändert, aber mindestens nach aussen hin kaschiert werden. Die Gruppe beginnt sich für die von uns kritisierten Zustände oder Lehren zu schämen. Wir freuen uns über jedes Anzeichen von Scham. Scham ist oft der erste Schritt ins Umdenken. Andere Gruppen treten mit uns in ein Gespräch, vor allem dort, wo sie sich zu Unrecht kritisiert fühlten. Wir führen solche Gespräche gerne. Wir streichen kritische Bemerkungen aus unseren Texten allerdings erst dort, wo eindeutig feststeht, dass ein missliebiger Umstand inzwischen wirklich korrigiert wurde, oder wo ebenso eindeutig feststeht, dass wir uns in unserem Urteil getäuscht haben. Manchmal verteidigen wir unsere kritischen Bemerkungen mit gutem Grund durch lange Korrespondenzen hindurch.
Der religiöse Konsumentenschützer braucht also nicht nur Einfühlungsgabe und Sinn für Spiritualität, er braucht nicht selten auch ein gutes Mass an Standhaftigkeit. Zu viele suchen ihn zu beschwatzen. Er aber darf sich nie beschwatzen, er darf sich nur überzeugen lassen. Und vor allem: wer kritisiert, darf nicht überrascht sein, wenn er selber kritisiert wird. Religiösen Konsumentenschützern darf es im Extremfall nichts ausmachen, wenn übereifrige religiöse Gemüter sie verfluchen oder bedrohen. Der Fluch der einen darf nie so viel wiegen wie der Segen, der auf jedem Versuch liegt, den Menschen im Mitmenschen wahrzunehmen.
Segnet, die euch fluchen
Zu dieser neutestamentlichen Maxime bricht der religiöse Konsumentenschützer wahrscheinlich nur selten durch. Aber Verständnis für die heftige Reaktion mancher Gemeinschaften auf seine Äusserungen kann er bald einmal aufbringen. Zu vertraut ist im die innere Dynamik mancher religiöser Gemeinschaften. Interne Kritik ist in vielen religiösen Gemeinschaften völlig ungehörig. Was die Leitung sagt, steht über alle Zweifel erhaben. Manchmal werden Kritiker in den Verlautbarungen der Prophetinnen und Gurus offiziell mit himmlischem Bann belegt. Sie werden zur Hölle fahren, aus der sie entstammen. Dass eine Gemeinschaft, die Kritik so einschätzt, auf die Verlautbarungen des religiösen Konsumentenschutzes nicht angemessen reagieren kann, liegt auf der Hand. Alle permanent Unfehlbaren wehren sich gegen unsere Texte oft mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Die besten Momente
Gottseidank führt unsere Arbeit aber nicht immer in kaum endende Debatten mit den enragierten und prozessfreudigen Gemeinschaften. Am meisten freut es uns, wenn wir feststellen, dass unsere Kritik eine Gruppe dazu veranlasst, über die Bücher zu gehen und die angesprochenen Mängel zu beheben. Wo das auch nur ansatzweise spürbar wird, erleben wir die besten Momente in unserer selten konfliktfreien aber immer faszinierenden Arbeit. Kurz - wir stehen mitten in einem hie und da verfluchten aber noch öfter gesegneten Dienst
Georg Schmid 2001
Letzte Aenderung 2004, © gs 2001 Infostelle 2000
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