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  Church of Satan Anton Szandor LaVey
  Uebersicht
  Anton Szandor LaVey (1930-1997) und die Satanskirche
1. Ein neuer Meister der dunklen Mysterien?
Nachdem seit dem Beginn des 20.Jahrhunderts sich alle satanistischen und sexualmagischen Bewegungen an der Gestalt von Aleister Crowley orientierten oder sich von diesem Leitbild des modernen Okkultismus abzusetzten suchten, erstand dem in den letzten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts in Kalifornien in der Gestalt von Anton Szandor LaVey (ASL) eine ähnliche Kristallisationsfigur für satanistische Sehnsüchte und schwarzmagischen Allmachtswahn. Die "Satanic Bible", die Satansbibel, von ASL nicht eigentlich neu geschrieben, sondern in Anlehnung an verschiedene Vorlagen zusammengestellt, erfreut sich grosser Beliebtheit unter rebellischen jungen Leuten, unter Modeatheisten und Mystikern des Negativen und ersetzt in ihrer Mischung von schwarzem Geheimnis, dunkler Wundersucht, sadistischem Ethos, pervertierter Ehrfurcht und ritualisiertem Hass vollgültig das Liber Al vel legis von Aleister Crowley. Wen wunderts, dass ASL auch in der Schweiz seine kleine, aber engagierte Fangemeinde fand.
2. Legende als Programm
ASL hat in verschiedenen Anläufen seine Biographie zur schwarzen Legende - faszinierend-verwerflich, verwegen-brutal, erotomanisch-lasterhaft - ausgestaltet und sich so in ein Bild eines Lebens hineingesetzt, dass er nur oder vor allem in seinen Wunschbildern und Träumen führte, das ihn aber im medienbewussten Kalifornien solange mit dubiosen Ruhm umhüllte, bis ihm nahe stehende Menschen, vorab seine Tochter Zeena (Anton LaVey: Legend and Reality, compiled by his daughter Zeena and Nikolas Schreck February 2, 1998, http://fcos.us//aslv.html), die schwarzen Schleier von seinem Portrait rissen und die abgründige Persönlichkeit ins bescheidene menschliche Mittelmass heimholten. Auch nach dieser Entmystifizierung des Meisters hat die Legende aber nichts von ihrer Bedeutung verloren, im Gegenteil. Sie zeigt nun das Meisterleben als erfolgreiches Vorbild und abenteuerliches Programm, allen vor Augen gestellt, die sich mit Satan auch aus deprimierender Banalität befreien möchten.
3. Das Kind und die Gewalt
Anton Szandor LaVey, als Howard Stanton Levey am 4. 11. 1930 im Cook County, Illinois geboren, schrieb sich elsässische, georgische und rumänische Vorfahren zu. Seine ukrainische Grossmutter, die ihn in die Welt der Werwölfe und Vampire eingeführt haben soll, erscheint in seiner Legende als transsylvanische Zigeunerin. 1942, als 12 Jähriger, mitten im zweiten Weltkrieg, will er sich leidenschaftlich für Kriegsspielzzeug, Kriegsberichte und Kriegsspiele interessiert haben. Die Christen sprachen von den Sanftmütigen, die die Welt regieren würden. Der junge ASL wurde durch seine Spiele und durch die Zeitungen eines Besseren belehrt: Nur der Starke erobert die Welt. Wehe dem Schwächling, der unterliegt. 1945 reiste ASL - so will es die Legende - mit einem Onkel durch das zerstörte Deutschland und sah bei dieser Gelegenheit Filme mit satanistischen Ritualen. Faktisch war ASL 1945 durchwegs in den Kalifornien In der Highschool fühlte sich ASL - hier treffen sich wahrscheinlich Legende und Wirklichkeit - nicht wohl. Sein Interesse galt der Musik und allen möglichen okkulten und quasiokkulten Geheimnissen. Sein musikalisches Talent - so will es wieder die Legende - liess ihn in jungen Jahren zum zweiten Oboist im San Francisco Ballet werden.
4. Vom Dompteur zum Kriminalfotographen
1947, mit 17 will er von zu Hause ausgerissen sein und eine Anstellung als Dompteur und Zirkusmusiker im Clyde Beatty Circus gefunden haben. Erst sah er sich als Tierwärter für Raubtiere. Der Direktor erkannte aber bald, dass ASL mit Geschick mit den Raubkatzen umging und beförderte ihn zum Hilfsdompteur. Als der Key-Board-Spieler des Zirkus einmal ausfiel, sprang ASL ein und vertrat den Musiker als Autodidakt so gekonnt, dass der Direktor ihn auch noch zum Zirkusmusiker ernannte. Das Archiv des Zirkus erwähnt ASL weder in dieser noch in jener Funktion. 1948 lernte er in eigener Darstellung seines Lebens als Orgelspieler im "Mayan burlesque theater" in Los Angeles, die junge Stripperin Marilyn Monroe kennen und lieben, eine Anstellung und eine Beziehung, für die sich wieder kein Anhalt in der Realität finden lässt. Die später gezeigte "eigenhändige" Aufschrift auf dem berühmten Kalender mit den Nacktaufnahmen der MM - "Dear Tony, How many times have you seen this! Love, Marilyn" - war offensichtlich gefälscht.
In einer Jahrmarkbude - hier treffen sich wahrscheinlich Realität und Legende - assistierte er bei einem Zauberkünstler und liess sich in die Tricks des Metiers einführen. Daneben spielte er, wo immer er gerufen wurde, Klavier, Key-Board und Orgel. Hie und da spielte er auch in Kirchen. Aber dies war nie seine Welt. Mit seltsamer Genugtuung will er die wilden, lüsternen Jahrmarktsbesucher vom Samstagabend mit frommen Gesicht am Sonntagmorgen im Gottesdienst wieder erkannt haben. Wenn das nicht Heuchelei war! Mit 21 heiratete ASL und suchte sich einen "anständigen Beruf." Er wurde - so will es die Legende - Fotograph bei der Polizei in San Francisco und musste von nun an mit seiner Kamera zahllose Opfer von Gewaltverbrechen im Bild festhalten. "Ich sah die blutigste, schrecklichste Seite des menschlichen Lebens," bemerkte ASL später zu seiner Arbeit als Kriminalfotograf. "Es war degoutierend und deprimierend. Ich fragte mich: Wo ist Gott? Ich begann die frömmlerische Haltung der Menschen gegenüber der Gewalt zu verachten, die immer wieder sagten: Es ist Gottes Wille" (The Satanic Bible, Avon Books 1969, s. 13). Auch diese Arbeit als Kriminalfotograph ist Fiktion. Das Archiv des San Francisco Police Departments erwähnt im Personalregister weder einen "Howard Levey" noch einen "Anton LaVey".
5. Vom magischen Club zur Satanskirche
Nach drei - "legendären" - Jahren als Kriminalfotograf nähert sich die Biographie von ASL wieder der Wirklichkeit. ASL ist wieder Organist, diesmal in Nachtclubs und Variétés. In seiner Freizeit studierte er mit Leidenschaft alle möglichen okkulten Fragen: Werwölfe, Vampire, Träume, Geistererscheinungen, magische Zeremonien. Das Gelernte präsentierte er - um sich seinen Lohn aufzubessern - in Wochenendkursen, in Vorträgen über Magie und in Hexenworkshops einem faszinierten Publikum. Allmählich sammelte sich - als Kern der späteren Satanskirche - ein "magischer Kreis", eine Gruppe von Okkultismusfreaks um den Okkultismusexperten ASL.
Anregungen aus diesem Kreis führten Sommer 1966 im Zusammenhang mit einem Zeitungsbericht über ASL und seine Gruppe zur Gründung der Church of Satan, ein Ereignis das ASL auf die Walpurgisnacht - den 1.Mai 1966 - zurückdatierte. In jener Nacht will er sich auch seinen Kopf kahl rasiert haben, wie es seiner Meinung nach altem satanistischem "yezidischem" Brauch entsprach. Wahrscheinlich hatte sich ASL den Kopf ursprünglich einem Wunsch seiner Frau entsprechend kahl rasiert.
ASL besass - hier durchdringen sich Legende und Wirklichkeit - eine okkulte Bibliothek mit Werken, die angeblich dem mittelalterlichen Tempelorden entstammten, mit der Literatur des Golden Dawn und des Hell-Fire Clubs aus dem England des 18. und 19.Jahrhundert, und mit Werken aus der Feder der französischen Satanisten. Diese okkulte Literatur diente ihm nicht nur als Vorlage für seine Rituale. Er änderte bewusst ab und deutete um. Hatten die bisherigen Satanisten der christlichen Kirche und dem Gott der Christen den Teufel als personifizierter dunkler Wesenheit und Antigottheit gegenübergestellt, so dachte und denkt LaVey nie an einen Teufel als Person, als personifiziertes Unwesen.
Für LaVey ist der Teufel eine die Welt bestimmende dunkle Kraft, die weder die Wissenschaft noch die Religion erklären konnte. Der Teufel ist "der Geist des Fortschritts. Er inspiriert alle grosse Bewegungen, die zur Entwicklung der menschlichen Zivilisation und zum Fortschritt der Menschheit beitragen. Er ist der Geist des Protests, der in die Freiheit führt. Er verkörpert alle Irrlehren, die den Menschen befreien" (ebd.).
6. Die Rituale der Satanskirche und der okkulte Film
Das neue Aussehen des Meisters entsprach wie erwähnt angeblich altem satanistischen Brauch. In jedem Fall aber entsprach mit seinem kahlen Kopf und seinen dunkeln "Schlitzaugen" und seinem Bärtchen ganz dem Bild, das man sich von einem Teufelsknecht macht. Als Kleidung bevorzugte er demonstrativ den schwarzen Kragen mit weissem Rand des katholischen Priesters. Vom Fuss bis zum Hals wirkte er wie ein Priester, darüber wie der Teufel. Genau auf diese Mischung hatte er es abgesehen. Bewusst nannte er seine neue Organisation "Kirche". Das bringt in den USA nicht nur steuerliche Vorteile. Er gewann damit auch soziale Privilegien. Als Kirche konnte die Fangemeinde von ASL mit ihren Ritualen christliche Zeremonien ersetzen. Die christlichen Kirchen sind nach ASL lustfeindlich und dem klaren Denken abhold. Die Satanskirche will nun Rituale anbieten, die die fleischlichen Wünsche des Menschen nicht verleugnen, sondern bejahen und den Geist nicht zurückbinden, sondern beflügeln. Satanistische Hochzeitszeremonien werden zum Fest der Sexualtität. Satanistische Totenrituale verbannen - dies wenigstens ist ihr erklärtes Ziel - alle Heuchelei vom Grab des Verstorbenen. Liebeszauber, in der Kirche praktiziert, hilft den Menschen, das Ziel ihrer sexuellen Wünsche zu erreichen. Zerstörungsrituale befördern den Sieg über Feinde. Manche dieser Riten, öffentlich gefeiert, erregten gewaltiges Aufsehen in der nationalen und internationalen Presse. Eine Aufnahme aus einem Hochzeitsritual zeigte eine nackte Frau, halb bedeckt mit einem Leopardenfell, die ASL während des Rituals als Altar diente. Das Bild wurde in vielen Zeitschriften publiziert und machte die Kirche Satans zum Presseereignis. ASL genoss seine Berühmtheit. Der Presse und dem Wunsch der geängstigten Massen zuliebe stürzte er sich ab und zu bei Ritualen in eine ausgesprochene Teufelskluft und setzte sich Masken und Hörner auf. Dies tat er, der nicht an das personifizierte Böse glaubte, weil "Menschen Rituale mit Symbolen ... brauchen" (a.a.O. s. 15). Durch seine Freude am schwarzen Ritual und satanischer Symbolik wurde ASL auch zum Berater für Filmemacher mit quasiokkulten Ambitionen. In manchen Filmen, die den Teufel beschworen oder okkulte Riten einschlossen, war ASL miteinbezogen. 1969 spielte er im Film des von Aleister Crowley inspirierten Kenneth Anger "Invokation of My Demon Brother" den Teufel. In der Satanskirche wurde der Satanismus telegen. Film und Leben reichten sich die Hände. In Polanskys Rosemarys Baby will ASL auch als Okkultexperte mitgewirkt oder gar als Teufel mitgespielt haben. Diese besondere "Leistung" von ASL gehört aber wie viele anderen grossen Taten offenkundig ins Reich der Legende.
7. Der Rückzug aus der Oeffentlichkeit
Eine gewisse Medienpräsenz blieb ASL allerdings erhalten und verband sich auch mit Schwierigkeiten. Jane Mansfield war - so will es die Legende - eine Geliebte von ASL und ein der ihm ergebensten "Hexen". Die Realität präsentiert sich auch hier anders. Jane Mansfied machte sich vor Freunden über die vergeblichen Avancen von ASL lustig. Als Jane Mansfield in einem Verkehrsunfall starb, soll sie von einem Fluch beladen gestorben sein, den der Meister eigentlich Sam Brody, einem ihrer Liebhaber zugedacht hatte. Magie funktioniert, wie schon Goethes "Zauberlehrling" zeigt, manchmal anders als erwartet.
Verschiedene kleinere Anfeindungen und finanzielle Nöte verdüsterten die letzten Lebensjahre von ASL. Nachbarn beschwerten sich über den Löwen, den er sich als Haustier hielt. Er musste das Tier einem Zoo überlassen. ASL zog sich von der Öffentlichkeit zurück und begann zu schreiben. Die Rituale überliess er seinen Jüngern, die sich nun überall auf der Welt in sog. Grottos der Satanskirche versammelten. Zu diesen Grottos hat jeder Zutritt, der gegen Bezahlung Mitglied der Satanskirche wird. Die Aufnahme in die Kirche muss nicht in Kalifornien erfolgen. Auch per Postanweisung kann man und kann frau Mitglied werden. Die Satanskirche entwickelte sich so für ASL, der immer wieder in Geldnöten steckte, zum mässig erfolgreichen Geschäft. Auch in den besten Zeiten umfasste die Kirche in Kalfornien aber nicht Hunderttausende von Mitgliedern, sondern wahrscheinlich etwa 300. Der Multimillionär, der ASL in seiner Legende sein wollte, - drei Liegenschaften im nördlichen Kalifornien, ein Kloster in Italien, ein Schloss in Frankreich, eine Flotte von Luxusautomobilen und eine eigene Yacht - unterschied sich deutlich von dem in seinem alten Elternhaus in San Francisco in sehr bescheidenen Verhältnissen lebenden wirklichen ASL. Die Bücher trugen ASL zwar einiges ein. Das dritte Buch, "The Compleat Witch", in Amerika mässig erfolgreich, wurde in Italien zu einem Bestseller. Trotzdem muss der wirkliche ASL, der sein ganzes Leben lang auf die Macht und das Recht des Starken geschworen hatte, am Ende seines Lebens noch öffentliche Unterstützung in Anspruch nehmen.
8. Satanic Bible
Dass sich im Leben von ASL Anspruch und Wirklichkeit selten entsprechen, spiegelt sich auch in seiner wichtigsten Publikation, in der Satanic Bible. Sie wurde - wie Tocher Zeena und Nikolas Schreck (http://fcos.us//aslv.html ) zeigen - die Satanic Bible unter Zeitdruck geschrieben und ist nur angeblich des Verfassers wirklich eigenes Werk. Der Verlag (Avon Books) setzte seinen Termin. Das mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass ASL ganze Passagen aus einem Traktat von Ragmar Readbeard, "Might is Right" 1896, in sein Buch als seinen eigenen Text übernahm. Weitere Passagen stammen - auch in diesen Fällen ohne Quellenangabe - aus John Dee's "Enochian Keys", zitiert in Aleister Crowley's "Equinox", und aus Ayn Rand's "Atlas Shrugged". Ist Satanismus Leben und Denken als endlose Kopie? Satan gilt manchmal in der westlichen Tradition als der hilfloser Nachahmer des Schöpfers, als fiktives Genie, als Original in Anlehnung. Wie immer ASL sich Satan gedacht haben mag, als Satanist inszeniert er wie sein Meister dauernd Vorgabe als Wirklichkeit und Kopie als Urbild.
Georg Schmid, 2005
Letzte Aenderung 2005, © gs 2005, Infostelle 2000
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