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  NAK Neuapostolische Kirche
  Uebersicht
  Autoritäre Führungsstruktur
In: Leben & Glauben Nr. 51, 18. Dezember 1997
Frage
Ist die Neuapostolische Kirche eine Sekte?

L.B. in K.

Antwort
Jeder und jede hat heute seinen eigenen Sektenbegriff. Und auch im Urteil über die neuapostolische Kirche (NAK) sind sich NAK-Mitglieder und Aussenstehende selbstverständlich nicht einig. Je nach Sektenverständnis und NAK-Bild fällt deshalb die Antwort auf Ihre Frage sehr gegensätzlich aus. Ich kann Ihnen im Folgenden auch nur eine sehr persönliche Antwort vorlegen.

Sekte ist für mein Empfinden eine Gemeinschaft, die sich selbst überschätzt. Dies tut genau besehen jede menschliche Gemeinschaft. Jede Gruppe - vom Sportverein über den Gemischten Chor bis zu den Landeskirchen und den politischen Parteien - findet, dass sie etwas Besonderes sei. Dieses Gefühl fürs Besondere in der eigenen Gemeinschaft ist sektenhaft auf Stufe 1. Die Selbstüberschätzung einer Gemeinschaft bleibt aber im allgemeinen nicht auf dieser Stufe stehen, besonders, wenn die Gemeinschaftsbedürfnisse der einzelnen Mitglieder und ihr schwaches Selbstbewusstsein durch ein übersteigertes Gruppenbewusstsein kompensiert werden. Im Fall der NAK hat das Gruppenbewusstsein eine zwar nicht einmalige, aber doch auffallende und unter Kirchen sonst nicht übliches Stufe erreicht. Die NAK ist in den Augen ihrer Mitglieder und vor allem auch ihrer Amtsträger nicht nur eine Kirche unter anderen und auch nicht nur die beste christliche Kirche, sondern die einzige wahre Kirche Christi in dieser Endzeit. Dieses Selbstbewusstsein verbindet sich unmittelbar mit einer fast totalen Unmöglichkeit zu offener interner Kritik. Das Stammapostelamt - das Petrusamt der NAK - beansprucht zwar keine offizielle Unfehlbarkeit, aber der Stammapostel tritt faktisch als der nicht kritisierbare Amtsträger auf. Wenn er predigt, wiederholen die anschliessend predigenden niedereren Amtsträger seine Gedanken und kargen oft auch nicht mit verbalen Verbeugungen vor dem "Mann Gottes" schlechthin. Der Stammapostel selber kann Kritik und Besserwisserei aus seinem Amtsverständnis heraus auch nicht als Zeichen religiöser Mündigkeit und Selbständigkeit im Denken und Glauben würdigen. Diese Selbständigkeit wäre, würde sie sich zu Worte melden, auch gar nicht gefragt. Besserwissserei und Kritik sind Zeichen der Endzeit. Das Gotteskind ist demütig, gehorsam. Wer glaubt, der kritisiert nicht. Diese für mein Empfinden deutlich autoritäre Führungsstruktur kennzeichnet zusammen mit dem Anspruch, die einzige wahre Kirche zu sein, die NAK zu einer Gemeinschaft mit nicht nur verborgenen, sondern munter sich entfaltenden Sektentendenzen.

Der zwei besten Mittel gegen allzusehr ins Kraut schiessende Sektenhaftigkeit - der selbstkritischen und intensiven Besinnung auf Zeugnisse des biblischen Glaubens und der offenen, inneren Meinungsvielfalt und internen Kritik - kann und will sich die NAK nicht bedienen.

Ihre Beschäftigung mit biblischen Texten beschränkt sich auf lockere Verweise auf einzelne Bibelstellen. Intensives Bibelstudium braucht die NAK nicht. Denn das göttliche Wort, einmal schriftlich fixiert, findet in den lebenden Amtsträgern heute seine eigene Ausdrucksmöglichkeit. Warum sich mit Bibelstudien abquälen, wenn der Stammapostel vor uns steht? Die interne Kritik aber widerspricht der Grundlinie der neuapostolischen Verkündigung.

Die NAK schenkt verunsicherten, autoritätshungrigen Zeitgenossen Sicherheit im Glauben. Interne Debatten können diese autoritätshungrigen Gläubigen nur verunsichern. Die NAK schätzt den Gehorsam im Glauben weit mehr als persönliche Ueberlegungen und eigene Wege.

Lieber Herr L., Sie merken, dass ich persönlich, subjektiv betroffen, über die NAK rede. Ich muss Ihnen gestehen, dass ich mich vor autoritären Führungsstrukutren fürchte und dass ich persönlich den Mangel an Bibelstudium in der NAK bedaure. Das heisst aber nicht, dass ich die NAK oder gar ihre einzelnen Mitglieder verurteile. Was ich bedaure und was mir Angst macht, ist für andere vielleicht eine notwendige Lebenshilfe und ein möglicher Weg.

Georg Schmid, 1997
Letzte Aenderung 1997, © L&G 1997, Infostelle 2000
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