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  Trilogos
Institut für Persönlichkeits- und Bewusstseinsschulung
Die modernen und freundlichen Räume des Instituts an der Bergstrasse 2a in Küsnacht sind geschmückt mit Gemälden der Gründerin und Leiterin des Instituts: Linda Roethlisberger ist auch Künstlerin. Sie ist aufgewachsen im bernischen Langental, Protestantin und war zwölf Jahre als Lehrerin tätig. Ein Wundererlebnis im Zusammenhang mit einem Unfall weckte ihr Interesse an Esoterik, das sie als Schülerin u.a. zu Silvia Wallimann, Milan Ryzl und Gordon Higginson führte. Der englische Spiritualismus war für sie prägend.

Seit 1986 wirkt sie als Medium und spirituelle Lehrerin und gründete 1990 Trilogos, ein Institut, für das es offenbar mehrere Beinamen gibt: «Institut für angewandte Numinologie und Grenzwissenschaften», «Institut für Bewusstseinsschulung und Grenzwissenschaften» oder «Institut für Persönlichkeits- und Bewusstseinsschulung». Ihre Kursunterlagen zur Übung der eigenen medialen Anlagen und zur Entfaltung der Persönlichkeit verarbeitete sie zu einem umfangreichen Lehrbuch mit dem Titel «Der sinnliche Draht zur geistigen Welt», das 1995 im grossen Esoterik-Verlag Hermann Bauer erschien. 1996 rief sie den Trilogos Club ins Leben, der eine «Vernetzung von Interessierten und Gleichgesinnten in Familie, Beruf, kulturellem und sozialem Umfeld» sein soll (vgl. die Broschüre von Linda Roethlisberger: Trilogos. Januar - Juli 98, S. 24). Seither erscheint auch halbjährlich ein professionell gestaltetes, blau auf weiss gedrucktes Blatt (Elementi. Zeitung für neues Bewusstsein und Lebensqualität), das über Aktivitäten des Instituts und des Clubs berichtet und in dem auch Leserinnen und Leser Beiträge veröffentlichen können.

Trilogos-Schule
Linda Roethlisberger bietet, wie aus der erwähnten Broschüre ersichtlich ist, Einzelkurse sowie eine «Strukturierte Schulung der Medialität» an, die aus einer dreistufigen «medialen Grundschulung» und ebenfalls drei Stufen von «Diplomkursen» besteht. Die Kurse finden hauptsächlich im Institut in Küsnacht sowie in Frankfurt (Frankfurter Ring) statt.

Die Einzelkurse sollen der «Lösungsfindung für den Alltag» dienen; sie werden neben Linda Roethlisberger noch von weiteren Referentinnen und Referenten durchgeführt. So befasst sich dieses Semester ein Arzt (Robert Gerst) mit dem Thema Sucht und ihrer Bedeutung für unsere Suche nach Lebenssinn, und ein Theologe vietnamesischer Herkunft (Luu Hong Khanh) mit buddhistischer und christlicher Spiritualität; im weiteren sind eine Astrologin, ein Betriebswirtschafter, eine Graphologin und ein Psychotherapeut engagiert (Winfried de Philipp, der Mitarbeiter im Institut für psychologische Astrologie in München ist). Zudem finden regelmässig «Trainings» statt, um «das Gelernte aus der medialen Grundschulung zu üben und zu vertiefen». Eine einzelne Tagesveranstaltung (Dauer sechs Stunden) kostet für Nicht-Clubmitglider Fr. 300.-, mehrere Tage zusammen sind günstiger, und bei Bedürftigkeit werde auf Anfrage eine Ermässigung gewährt. (Vgl. Broschüre, S. 8- 10 und 22.)

Die mediale Grundschulung baut auf Roethlisbergers Lehrbuch auf, auf das ich noch zu sprechen komme, und umfasst 18 Kurstage. Ihre Ziele sind es, sich selbst kennenzulernen, Schritte aus der Orientierungslosigkeit zu tun, Selbstvertrauen zu erlangen und «selbstverantwortliche Schöpfer unseres Lebens zu werden». Dazu sollen die «psychischen fünf Sinne Hellfühlen, Hellriechen, Hellsehen, Hellhören, Hellwissen» geschult werden. (Ebd., S. 12.)

In den Diplomkursen können nach einem Eignungstest zusätzlich didaktische und psychologische Fähigkeiten geübt werden. Der «mediale Trainingsleiter» (Trilogos-Dipl. I) könne Besucher der medialen Grundschule begleiten und trainieren, das «Mental-Medium» (Trilogos-Dipl. II) seine «medialen Fähigkeiten als Mental-Medium unter Beweis stellen», indem es zwischen der fein- und der grobstofflichen Welt vermitteln und Botschaften von Verstorbenen beschreiben könne, während der «mediale Lebensschullehrer und -berater» (Trilogos-Dipl. III) selbst Lebensberatungen anbieten und Medialität vermitteln kann. (Ebd., S. 13ff.) Letztes Jahr wurde zum ersten Mal ein Trilogos Diplom I verliehen.

Trilogos-Privatgespräche
Neben den beschriebenen Elementen der «Trilogos-Schule» besteht auch die Möglichkeit zu «Privatgesprächen». Daniela Leuenberger führt eine astrologische, Katja Müri eine graphologische «Standortbestimmung» durch, während Frau Roethlisberger selbst Einzelpersonen und Paare medial berät und dabei «Rückführung» und «spirituelles Heilen» anbietet. (Ebd., S. 17)

Sie beschreibt sich selbst als eine, die «Nüsse knackt», also Probleme und Ursachen von Seelennöten aufdeckt: In den Beratungssitzungen empfängt sie Visionen von Wesenheiten, die sie den Ratsuchenden beschreibt. Erkennen diese eine Person, etwa einen Verstorbenen, so könne dies zu hilfreichen Gesprächen führen. Wird ein Wesen nicht erkannt, so verabschiedet sie sich freundlich von ihm und lässt es weiterziehen.

Trilogos-Club
Gegen einen Jahresbeitrag von Fr. 73.- kann man Mitglied des Trilogos-Club werden (vgl. ebd., S. 24-27). Die Mitglieder, es sind bislang ca. 80 (Tendenz steigend), treffen sich einmal monatlich am Stammtisch und zu verschiedenen weiteren Anlässen kultureller, sportlicher und vergnüglicher Art, zu Vorträgen oder Reisen, letzten Frühling z.B. in die Karibik: In der ersten von zwei Wochen wurde täglich drei Stunden «geistig gearbeitet», die zweite stand zur freien Verfügung. Im Herbst fand eine Reise in die südtunesische Wüste statt, sie soll dieses Jahr wiederholt werden. An den «Erlebnisreisen» können alle Ferienhungrigen teilnehmen- sofern sie sich den Aufenthalt im Luxushotel leisten können.

Clubmitgliedern winken verschiedene Vorteile: Neben ermässigten Kursgebühren wird auf die Möglichkeit hingewiesen, den eigenen Bekanntheitsgrad zu erweitern, indem man etwa mit einem Vortrag über sein Fachgebiet einen aktiven Beitrag zum Clubleben leiste, ausserdem könne man persönliche und berufliche Kontakte knüpfen- z.B. mit dem renommierten Strafrechtsprofessor Jörg Rehberg, der den Club präsidiert.

Das Lehrbuch
Linda Roethlisbergers Buch «Der sinnliche Draht zur geistigen Welt» versteht sich als Anleitungsbuch zur Entwicklung der eigenen Medialität und damit zur Fähigkeit, mit der geistigen Welt in Kontakt zu treten. Neben Ausführungen theoretischer Art über diese jenseitige bzw. «feinstoffliche» Welt finden sich zahlreiche Übungen, mit denen man selbst den «Draht» zu jenen Wesen soll installieren können.
Die geistige Welt
Die mediale Entwicklung soll einen schrittweise dazu befähigen, die sog. «feinstoffliche Welt» kennenzulernen. Diese lasse sich in mehrere, traditionellerweise in sieben Ebenen gliedern, Frau Roethlisberger teilt in vier Stufen ein: die «astrale», die «mentale», die «kausale» und die höchste, die «spirituelle». Jeder Stufe entsprechen bestimmte Wesenheiten einer geistigen Hierarchie, angefangen bei Gnomen, Marienerscheinungen und Engeln auf der tiefsten zu Verstorbenen und spirituellen Meistern auf höheren Ebenen (S. 81f.). Diese Wesen der geistigen Welt entwickeln sich wie wir weiter, und zwar besonders dann, wenn sie uns Irdischen mit Botschaften helfen, die sie über unsere feinstofflichen Sinne vermitteln.
Menschenbild
Gemäss Frau Roethlisberger ist der Mensch ein geistiges Wesen, dessen Ausdrucksform der physische Körper ist. «Der Geist ist das höhere, der Körper das niedere Ich; der Geist ist der Herr und der Körper sein Diener. Der Geist ist jener Teil unseres Selbst, der unsterblich ist. Ist dies nicht derselbe Geist, der das ganze Weltall erdacht, erschaffen und gestaltet hat- und noch immer gestaltet?» (S. 27) Es sei gewiss, dass wir «in uns selbst die Mittel finden werden, alle Hindernisse und Schranken zu überwinden, uns selber immer wieder zu erlösen.» (S. 28) Diese Erlösung entspreche dem Eintauchen in den «Grossen Geist» (S. 30) und erfolge, wenn sich der Geist in vielfachen Inkarnationen auf der Erde, die eine «Schule des Lebens» (S. 28) sei, weit genug entwickelt und sich vom «Lernplaneten» (S. 365) befreit habe. Die «Evolution des individuellen Bewusstseins» stelle geradezu den Sinn des Lebens dar (S. 328). Der Körper dient dem Geist nur als vergängliche und erneuerbare Hülle, während der feinstoffliche Seele-Geist-Körper mit dem Tod automatisch in die geistige Welt eintritt.
Das «Nachher»
In der geistigen Welt erwarten den feinstofflichen Körper je nach Bedürfnis und Verfassung im Sterbemoment geistige «Krankenhäuser» oder «Schulhäuser». Der Verstorbene legt sich dann Rechenschaft ab über seine seelisch-geistigen Fähigkeiten. «Das lässt sich mit einem Schüler vergleichen, der am Ende eines Schuljahres sein Zeugnis in der Hand hält und einsieht, welche Fächer genügend und welche ungenügend begriffen wurden.» (S. 59) In letzterem Fall wird er wieder in die irdische Materie geboren: «Je nach geistiger Reife stellt sich der Astralköper ein neues Lernprogrammm zusammen und sucht sich das entsprechende Lernfeld aus». (S. 60)

Daneben bestehen zwei weitere Möglichkeiten: Entweder unterzieht man sich in «Lernhallen oder Schulhäusern» in der geistigen Welt einer Weiterbildung («Von der Grund- bis zur Hochschule sind auch in der feinstofflichen Welt sämtliche Nuancen vertreten», S. 59), oder man wird selbst zum Lehrer, «zum geistigen Helfer oder feinstofflichen Reisebegleiter» für andere Wesen (S. 60).

Übungen
Die Übungen im Lehrbuch haben die Form meditativ-suggestiver Texte, die man sich beispielsweise auf Band sprechen kann und die einen dann auf imaginäre Ausflüge geleiten. Zunächst entspannt man sich und stellt sich dann möglichst deutlich und konzentriert eine schöne Landschaft, einen ruhigen Ort, ein Gebäude vor, allenfalls in bestimmten Farben. Danach versucht man mit einem «geistigen Helfer», einem «Schutzengel» oder «Abgesandten Gottes» in Kontakt zu kommen, der einen auf eine Reise führt und Dinge zeigt und erklärt. Nach der Rückkehr in den Wachzustand schreibt man seine Visionen auf und versucht, sie zu deuten. Tägliches Training über längere Zeit hinweg soll den Kontakt und das Verständnis immer besser und die Deutefähigkeit wie auch die Unterscheidungsfähigkeit zwischen «echten» Botschaften und eigenen Phantasien präziser werden lassen.

Nach Roethlisberger gibt es in leicht hinkender Analogie zu den fünf «irdischen» Sinnen fünf «mediale Sinne», die Wahrnehmung mit ihnen finde in der Gedanken- und Gefühlswelt statt: das «Hellfühlen», wie wir es etwa vom «Klumpen im Magen» her kennen und das oft «der Impuls einer feinstofflichen Schwingung» sein soll; das «Hellriechen», ein geistiger Geruchssinn; das «intuitive Wissen», zu dem unsere «Geistesblitze» gehören; das «Hellsehen», worunter sie «die Vorstellungskraft, unsere Einbildungen, Phantasien» versteht; und das «Hellhören», das nichts anderes als ein innerliches Hören sei. (S. 20ff.)

Die mediale Wahrnehmung soll helfen, «das Alltagsleben besser zu bewältigen, indem man die Ursachen ergründet, statt nur auf Symptome zu reagieren» (S. 14). Der angebotene Lehrgang biete «eine seriöse Möglichkeit, in die Kommunikation mit den verschiedensten Bewusstseinsebenen einzusteigen, angefangen mit dem Mineral- und Pflanzenreich über das Menschen- und Engelreich hinein in unser Sonnensystem - und später vielleicht darüber hinaus in die Weiten des kosmischen Raumes» (S. 15).

Kein Ding mehr unmöglich?
Die Fähigkeiten, die man sich dank den sechs Lektionen des Übungsteils im Lehrbuch soll erwerben können - regelmässige Übung und das Einverständnis der geistigen Welt vorausgesetzt-, sind im wahrsten Sinn des Wortes wunderbar zu nennen. Sie umfassen fast das ganze Spektrum esoterischer Disziplinen. Dazu gehören Telepathie (man versucht beispielsweise, im voraus zu wissen, was sich im Briefkasten befinden könnte (S. 203)), Psychometrie (ein Schmuckstück etwa verrät dem Medium die Gefühle seiner Besitzerin, und ein archäologisches Fundstück erzählt seine Geschichte (S. 219)), Heilen (das Medium lässt göttliche Energie durch sich fliessen und kann so nicht nur sich und andere, sondern auch Tiere, Pflanzen und den Kosmos heilen (S. 226)), Psychokinese (Beeinflussung der Materie mit Gedanken), Trance, Aurasehen («Sensitive [...] beurteilen einen Menschen nach diesen Energieschwingungen» (S. 299) und erkennen vielleicht in den Augen des Partners rosa Blitze (S. 317)), der Kontakt mit Verstorbenen, aber auch mit anderen geistigen Wesen und Engeln soll möglich werden, genauso wie «Rückführungen» in eigene frühere Leben und der Blick in die Zukunft. Linda Roethlisberger entwirft am Ende ihres Buches selbst die Vision eines zukünftigen neuen Zeitalters, in dem letztlich alles auf das Geistige ausgerichtet ist. (S. 419-433)
Kritische Überlegungen zum Schluss
Linda Roethlisberger entfaltet in ihrem Buch ein grosses Lehrgebäude, das methodisch in die verschiedensten Sparten esoterischer Anschauungen und Fähigkeiten einführen will. Man kann diese Anschauungen teilen und an die Faktizität und Erlernbarkeit der ausserordentlichen Fähigkeiten glauben oder auch nicht- wissenschaftlich nachweisbar ist meines Wissens beides grösstenteils nicht.

Dies ist insofern keine Kritik, als sich Weltanschauungen wie auch andere im Leben eines Menschen wesentliche Dinge nicht «beweisen» lassen. Umso mehr frage ich mich aber, warum Frau Roethlisberger ausgerechnet auf «Beweisbarkeit» besteht, und zwar insbesondere auf der Beweisbarkeit verschiedener Inkarnationen und eines Lebens nach dem Tod. Ein «Mental-Medium» könne diese «Beweise» erbringen (z.B. S. 84 und 363), und den Toten selbst liege viel daran, auf ihr Leben aufmerksam zu machen - dazu stünden sie buchstäblich bei den «Kanälen» Schlange. (Dies hat, nebenbei bemerkt, den Effekt, dass die Kommunikationskanäle zur Erde überlastet sein können und sich verschiedene «Frequenzen» überlagern, so dass «der Übungspartner sich anhand der Beschreibungen an Merkmale verschiedener Personen gleichzeitig erinnern kann» (S. 412f.) - mit einem solchen Argument kann ein Medium freilich nahezu jede beliebige Beschreibung erklären.) Roethlisberger behauptet nicht nur, dass «die Menschen immer schon geglaubt» hätten, dass «jedes Ende der Anfang einer neuen Existenz ist», sondern auch, dass es dafür «experimentelle Beweise» gebe, doch seien diese «naturwissenschaftlich nicht anerkannt». (S. 361) - Eine unsinnige Aussage, denn naturwissenschaftlich nicht anerkannte «experimentelle Beweise» sind keine. Allfällige verblüffenden Phänomene, etwa wenn ein Medium Verstorbene für Klienten erkennbar beschreibt, lassen sich - sollten sie sich denn belegen und wiederholen lassen- jedenfalls auch anders deuten als mit einem Leben nach dem Tod.

Die Behauptung der «Beweisbarkeit» eines Weiterlebens ist nicht nur ein leeres Versprechen, sie trägt zu einer Verharmlosung und Verdrängung des Todes bei, was psychologisch fatale Folgen haben kann. Das Gleiche gilt für Aussagen wie die folgenden: «Es gibt in Wahrheit keinen Tod - die Gestorbenen haben nur ihre Seinsform geändert» (S. 31), oder: «Es gibt also weder Tod noch Weiterleben- es gibt nur Formveränderungen, Wandlung, andere Aggregat- oder Energiezustände. Die 'Verstorbenen' haben nur andere Bewusstseinsqualitäten.» (S. 64)

Man mag in Roethlisbergers Übungen positiv eine Fülle von Anregungen sehen, Farbe in seinen grauen Alltag zu bringen und die eigene Phantasie und Intuition zur Entfaltung zu bringen. Andererseits halte ich die von ihr empfohlenen suggestiven psychologischen Methoden wie die der geleiteten Visualisierung nicht für unbedenklich, besonders wenn sie durchgeführt werden ohne Begleitung durch eine psychologisch fundiert ausgebildete Person. Linda Roethlisberger schreibt selbst, dass «die mediale Entwicklung zwar grundsätzlich nicht gefährlich» sei, man solle aber beachten: «Sind psychische Krankheiten wie Schizophrenie, Psychose, Epilepsie, multiple Persönlichkeiten und andere Identifikationsstörungen vorhanden, so sollte man keine medialen Übungen als Medium machen.» (S. 109) Vielfach wird auch an die Verantwortung der angehenden Medien appelliert (z.B. S. 83).

Es bleibt aber fraglich, ob in heiklen Situationen ein solcher Appell genügt. Frau Roethlisberger versichert zwar, dass in entsprechend schwierigen Fällen auch an Fachkräfte verwiesen werde. Doch ist nicht auszuschliessen, dass dieser vernünftigen Absicht eine Selbstüberschätzung im Wege steht, wie man sie aus manchen Passagen sprechen hören kann: Etwa wenn Frau Roethlisberger schreibt, dass beim Mentaltraining der Verstand zur Ruhe gebracht werden müsse, und dass der Intellekt begrenzt, die Intuition dagegen unbegrenzt sei. «Die Entwicklung der Intuition ist eine Manifestation der Welt des Geistes. Sie dringt direkt bis zum Kern der Dinge vor und entscheidet spontan und ohne Fehlschlag.» (S. 147) Das Mentaltraining gehört für Roethlisberger zu einer «alternativen Form der Psychotherapie» (S. 141), und hellsichtig könne man Traumata aus der Jugendzeit, mit denen man möglicherweise beim Üben konfrontiert werde, verarbeiten (S. 268).

Neben der psychologisch-therapeutischen Selbsteinschätzung kann man auch theologisch die Ansprüche hinterfragen: Die Annahme, dass Wesen, die ich mir vorstelle oder die vor meinem inneren Auge erscheinen, vom eigenen Unbewussten unterschiedene und höhere, ja göttliche Wesen sein sollen, und dass die richtige Technik Engelwesen und Verstorbene verfügbar machen kann, finde ich zumindest unbescheiden- oder ganz einfach naiv.

Ein sanfter Hinweis darauf, dass für die Jenseits«beweise» und -vorstellungen in erster Linie der eigene menschlich-irdische Erfahrungshorizont massgebend ist, ist die Tatsache, dass dieses Jenseits im Sinne der Lehrerin Roethlisberger auffällige Analogien zur hiesigen Schule zeigt (vgl. oben den Abschnitt «Das 'Nachher'»). Auch die Erde gilt ja als «Lernplanet» (S. 365), hier wird - häufiges Stichwort- «das ABC» etwa der Gefühle erlernt (S.193), «analog zum Schüler, der die verschiedenen Wortarten entdeckt» (S. 244). Kaum zufällig, dass Frau Roethlisberger berichtet, auf der Venus augerechnet ein geistiges «Lehrerzimmer» besucht zu haben (S. 19).

Was die Stellung von Frau Roethlisberger und ihre allfällige Selbstüberschätzung anbelangt, ist anzumerken, dass sie selbst ihre Fähigkeiten nicht als absolut bezeichnet: Während ihr englischer Lehrer eine Treffsicherheit von 99% gehabt habe, könne bei ihr Hellsehen das eine Mal funktionieren, das andere Mal nicht. Sicher fühlt sie sich hingegen im Auralesen und im Sehen von Verstorbenen; an «Materialisierungen» arbeitet sie noch. Es gelang ihr schon, einen Rosenduft erstehen zu lassen, den alle Anwesenden riechen konnten, und eine Aura, die alle sehen konnten.

Aber auch wenn Frau Roethlisberger nicht beansprucht, sie könne in jedem Fall übernatürliche Techniken wirkungsvoll anwenden, und auch wenn ihre Absicht eine durchaus positiv-hilfreiche ist, so ist es doch denkbar, dass der Glaube, sie könne einen völlig durchschauen und gar manipulieren, Angst einflösst und ihr Macht gibt. Sie selbst weist auf die «Kraft der Beeinflussung» und die daraus resultierende Verantwortung hin (z.B. S. 83).

Adressen:
TRILOGOS, Institut für Persönlichkeits- und Bewusstseinsschulung, Bergstrasse 2a, CH - 8700 Küsnacht

Schul-Sekretariat: Judith Salai, Seestrasse 91, CH-8703 Erlenbach

CLUB-Sekretariat: Romy Zgraggen, Sonnenbergstr. 20, CH-9038 Rehetobel

Quellen:
- Linda Roethlisberger: Der sinnliche Draht zur geistigen Welt. Ein Lehrbuch zur Entfaltung der medialen Anlagen und der eigenen Persönlichkeit. Freiburg im Breisgau 1995.

- diverse Broschüren des Instituts Trilogos

- Gespräch mit Linda Roethlisberger

- diverse Beratungsgespräche

Zeitschrift:
Elementi. Zeitung für neues Bewusstsein und Lebensqualität.
Therese Graf, 1998
Letzte Aenderung 1998, © tg 1998, Infostelle 2000
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